Aus Forschung wird Gesundheit.
BIH_Podcast_29_Wie funktionieren die Impfstoffe gegen SARS-CoV-2?
Interviewpartner: Professor Leif Erik Sander, Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Seltmann: Herzlich willkommen zum BIH-Podcast „Aus Forschung wird Gesundheit“ aus dem Berlin Institute of Health, dem BIH. Wir wollen in diesem Podcast Fragen beantworten rund um das Thema Gesundheit und Gesundheitsforschung. Mein Name ist Stefanie Seltmann.
Seltmann: Heute wollen über die Impfstoffe gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 sprechen, wie sie funktionieren, welche Vor- und Nachteile sie haben, und welche Rolle sie bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie spielen. Mein Gesprächspartner dazu ist heute Professor Leif Erik Sander, er ist Infektions- und Impfstoffforscher an der Medizinischen Klinik der Charité.
Seltmann: Herr Professor Sander, sind Sie schon geimpft?
Sander: Ja, ich bin jetzt schon zweimal geimpft.
Seltmann: Mit welchem Impfstoff?
Sander: Ich habe den mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer bekommen.
Seltmann: Haben Sie es gut vertragen?
Sander: Ich muss sagen, ich habe es sehr gut vertragen. Ich hatte am Tag danach und an dem Abend Schmerzen an der Einstichstelle im Arm, ein bisschen einen schweren Arm, und bei der Zweitimpfung ein bisschen Kopfschmerzen und ansonsten zum Glück keine stärkeren Impfreaktionen.
Seltmann: Der Biontech/Pfizer-Impfstoff ist ja ein sogenannter mRNA Impfstoff, das heißt, er enthält die Bauanleitung für das Spike-Protein auf der Oberfläche des Virus. Was passiert denn eigentlich mit dieser mRNA, wenn Sie in den Muskel gespritzt wird?
Sander: Ja, die RNAs sind verpackt in so kleine Fetttröpfchen, die es dann ermöglichen, dass dieses RNA-Molekül von den Zellen aufgenommen wird. Man geht davon aus, dass es zum Großteil dann eben Muskelzellen sind, die es aufnehmen. Vermutlich, weil es wird relativ viel von der RNA gespritzt, 30 Mikrogramm, da wird natürlich trotzdem auch eine Immunreaktion ausgelöst, auch eine Entzündungsreaktion auch lokal, deswegen schmerzt es ja auch. Und es strömen dann natürlich relativ zügig dann auch Immunzellen ein. Und ich gehe davon aus, dass auch Immunzellen auch diese Lipidpartikel mit der mRNA aufnehmen können und dort auch Antigen gebildet wird.
Seltmann: Also... Diese mRNA wird übersetzt in dieses Eiweiß des Virus, und dann wird das Eiweiß an die Oberfläche der Muskelzellen transportiert und dort vorgezeigt? Oder was genau passiert dann mit diesem Eiweiß?
Sander: Ja, das ist eine sehr gute Frage, die sicher auch noch keiner ganz genau beantworten kann. Es ist aber so, dass dieses Protein, was dort gebildet wird, das wird tatsächlich dann auch in unsere Zellmembran eingebaut, so wie es auch bei der Virusinfektion wäre, wo sich dann dort auch wieder neue Viruspartikel bilden. Sodass die Zellen an der Oberfläche erst mal auch dieses Spike-Protein haben. Gleichzeitig ist es natürlich so, wenn in einer Zelle Proteine gebildet werden, werden auch Teile davon, kleine Schnipsel davon, auch immer an der Oberfläche gezeigt. Aber genau die Prozesse lokal, was passiert, nachdem eine mRNA dort gespritzt wird, das ist auch noch Gegenstand der Forschung.
Seltmann: Jetzt haben Sie gesagt, durch die Entzündungsreaktion, die alleine so eine fremde RNA an der Einstichstelle hervorruft, auch vielleicht die Lipidhülle, die da außen herum ist, dadurch wandern jetzt auch Immunzellen ein und nehmen auch diese mRNA auf. Und die bilden dann auch das Spike-Protein, die Immunzellen?
Sander: Genau, das ist aber noch nicht gezeigt. Also auch Immunzellen können natürlich solche Impfstoffpartikel aufnehmen und dann auch Antigen selber bilden.... Und ich glaube, bei diesen Impfstoffen, die jetzt verwendet werden, ist tatsächlich ein gutes Gleichgewicht zwischen einer Entzündungsreaktion, die wir ja auch benötigen, das ist quasi dann die Adjuvans-Wirkung, die man sonst künstlich erzeugt, indem man Hilfsstoffe beigesetzt, und der Fähigkeit des Körpers, selber ganz viel von dem Antigen zu bilden. Und dieses Gleichgewicht zwischen diesen zwei Wirkungen, die ist dort, glaube ich, sehr gut getroffen. Und deswegen kriegt man so eine effektive Immunantwort.
Seltmann: Wie wird denn jetzt eine Immunantwort daraus? Das Ziel ist ja, dass wir Antikörper im Blut haben und T-Zellen, die dann das möglicherweise später eindringende oder ankommende Virus erkennen.
Sander: Also, wenn wir über die Immunantwort reden, die ganzen verschiedenen Schritte, die dort passieren, könnten wir sehr, sehr lange sprechen, weil es sehr komplexe und vielschichtige Reaktionen sind. Aber letzten Endes wird ein Teil dieser Antigene aufgenommen von sogenannten antigenpräsentierenden Zellen. und die können dann Teile davon an T-Zellen präsentieren. Und T-Zellen, die ganz zufälligerweise die richtigen Schnipsel, sage ich mal, aus diesem Spike-Protein erkennen, die sehen das und dann werden die ganz aktiv und teilen sich ganz viel, sodass man dann am Ende von einzelnen T-Zellen sehr, sehr viele hat, die spezifisch sind für dieses Spike-Protein. Und die können dann verschiedene Funktionen ausführen. Und im Falle von solchen sogenannten Helferzellen helfen sie eben den B-Zellen, gute Antikörper zu machen und sehr ausgereifte Antikörper zu machen und dann zu sogenannten Plasmazellen zu werden, die auch sehr, sehr viele Antikörper bilden können Und diese Interaktion zwischen diesen Helferzellen und den B-Zellen, die führt auch dazu, dass sich ein Immungedächtnis ausbilden kann. Und das ist eben sehr wichtig. Das wollen wir ja mit diesen zwei Impfungen auch erreichen, dass wir am Ende ein Immungedächtnis haben, das sich ganz lange erinnert. Wenn wieder ein Corona-Virus kommt, kann das Immunsystem sehr, sehr schnell anspringen.
Sander: Und dann haben wir noch die sogenannten CD-8-positiven T-Zellen, die kann man auch Killerzellen nennen, die können virusinfizierte Zellen abtöten. Und die müssen auch aktiviert werden, damit wir sogenannte zytotoxische T-Zellen haben, die später, wenn mal eine Zelle mit Virus infiziert ist, diese Zelle erkennen kann und dann abtöten kann.
Seltmann: Und dieser Prozess, der dauert eine Weile. Und ungefähr wie lange?
Sander: Ja, das dauert schon ein bis zwei Wochen, je nach Antigen und je nachdem, wie das gebildet wird. Aber wir sehen an den Studien sehr, sehr gut, wie schnell das geht, nämlich schon allein daran, ab wann sind die Probandinnen und Probanden geschützt. Und das fängt so Tag 10, Tag 12 an. Da scheinen ausreichend viele Immunzellen aktiviert worden zu sein. Das kann man nicht nur an Antikörperspiegeln festmachen, sondern muss man auch nach T-Zellen gucken. Und nicht alle kann man immer im Blut auch gut messen. Aber da sehen wir einfach an den Studien, ab diesem Zeitpunkt gehen die Infektionen bei denen, die mit dem richtigen Impfstoff geimpft wurden, schlagartig zurück. Und das heißt, da ist zu dem Zeitpunkt eine Schwelle erreicht im Immunsystem. Und es braucht eben diese ganzen komplizierten Schritte, die ich vorher versucht habe zu erklären. Und diese müssen ineinandergreifen. Ich habe gesagt, Zellen müssen sich auch teilen. Und das dauert auch eine Weile. Es müssen ausreichend viele Zellen gebildet werden. Und so ab Tag 10, 12 hat man erst mal einen Schutz erreicht. Wenn man aber ein gutes Immungedächtnis aufbauen will, dann braucht es dafür meistens noch mehrere Zyklen dieser Aktivierung, weil dann werden die Immunantworten noch mal verfeinert. Und dann werden zum Beispiel die Affinitäten, die Bindungsstärken, mit denen die Antikörper erkennen können, dass jetzt das Spike-Protein, also das Coronavirus da ist, die werden noch mal verbessert. Und dafür ist es eben dann auch hilfreich, diese zweite Impfung zu geben, die bei vielen Impfstoffen eingesetzt wird. Dann wird die Immunantwort wirklich noch mal verbessert.
Seltmann: Und da soll man ungefähr drei Wochen warten. Bei manchen, sagt man, kann man auch ein bisschen länger zuwarten. Hat man da mittlerweile so einen Idealabstand zwischen erster und zweiter Impfung gefunden?
Sander: Wenn man nur darauf schaut, wie gut ist dann die Antwort, die ich nach der zweiten Impfung bekomme, dann herrscht relative Einigkeit. Das weiß man aber schon lange, jetzt nicht erst seit den Coronavirus-Impfstoffen, dass, wenn man diesen Abstand möglichst etwas länger wählt, nicht nur zwei, drei Wochen, sondern länger wählt, dann wird diese Boosterung, diese Verstärkung bei der zweiten Impfung, die wird dadurch noch besser, weil man quasi die ersten Zellen, die dann Antikörper gebildet haben, dann bleiben gewissermaßen nur, wenn Sie so wollen, wirklich die besten übrig. Und die werden dann noch mal ganz stark angeregt. Und damit erzielt man in der Regel deutlich bessere Effekte, da kriegt man noch mal eine stärkere Immunantwort. Bei so einem Geschehen, wie wir jetzt haben, muss man aber natürlich einen Mittelweg finden zwischen dem, dass man mit der zweiten Impfung einen möglich starken Effekt erzielen will, dass man aber auch den Abstand vielleicht nicht so lang wählen will, weil man die Probandinnen und Probanden nicht so lange, ich sage mal halbgeschützt lassen will. Das ist zwar nicht so, weil anscheinend die meisten Impfstoffe schon nach der ersten Impfung einen ganz klasse Schutz bieten. Aber das war natürlich die Überlegung, als man die Studien gemacht hat. Und auch dass es relativ schnell geht. Natürlich ist es schwierig, jemanden nach drei, vier, fünf Monaten zu erinnern wiederzukommen zur zweiten Impfung. Von daher ist das immer so ein bisschen ein Kompromiss. Und diese drei Wochen ist schon eher eine Untergrenze. Viel eher sollte man nicht auffrischen, weil dann ist eben diese erste Reaktion noch in vollem Gange.
Seltmann: Ist die mRNA dann eigentlich abgebaut? Verschwindet die dann?
Sander: Ja, da gehe ich davon aus. Auch da habe ich vielleicht einfach noch nicht gut genug die Literatur gelesen. Das meiste weiß man ja aus Tierexperimenten, in denen man das in Mäusen beispielsweise gemacht hat. Und dann kann man messen, wie lange ist denn da jetzt noch diese RNA nachweisbar. Und die hat nur eine bestimmte Halbwertzeit, und die wird dann eben abgebaut. Und bei der zweiten Impfung ist sicher von der allerersten Injektion nichts übrig.
Seltmann: Jetzt gibt es noch einen dritten Impfstoff, den von Moderna hatten Sie noch genannt. Der besteht ebenfalls aus mRNA. Aber es gibt auch noch einen Impfstoff von AstraZeneca, ein sogenannter Vektorimpfstoff. Wie funktioniert der?
Sander: Ja, genau, das ist ein Vektorimpfstoff. Und Vektor deswegen, weil man ein harmloses Virus benutzt, in dem Fall ein Adenovirus. Und es gibt jetzt mehrere Adenoviren, die als Vektoren benutzt werden für Coronavirus-Impfstoffe. diese Adenoviren, die man für diese Impfstoffe einsetzt, die sind sehr harmlos, und die sind obendrein so verändert, dass sie sich im Körper nicht mehr vermehren können. Die können selber dann nicht neue Adenoviren bilden, wenn sie gespritzt werden. Und deswegen sind sie eigentlich nur ein Vektor, eine Art Vehikel, um die Information, diesmal wieder vom Spike-Protein, in den Körper reinzubringen. Bei dem einen bringen sie die Information einfach auf diesem RNA-Molekül rein, also das liefern sie einfach den Bauplan. Und in diesem Fall ist dieser Bauplan in der DNA diesmal der Adenoviren codiert. Und die Adenoviren bringen diese Information in unsere Zellen rein. Und dort kann dann die RNA gebildet werden. Also es ist quasi ein Schritt vor der RNA. Und danach geht es in gleicher Weise weiter. Dann haben Sie auch die RNA, die dann wiederum translatiert wird in das Eiweiß, und dann wird das Eiweiß gebildet. Und die Antigene sind sehr ähnlich, sind nicht genau gleich, aber beides ist Spike-Protein. Und diese Immunreaktion, die dann stattfindet, die ist sehr ähnlich.
Seltmann: Jetzt hat man gehört, dass bei diesem AstraZeneca-Impfstoff häufiger sehr starke heftige Reaktionen auftreten nach der ersten Impfung schon. Womit hängt das zusammen? Hängt das an diesen Adenoviren?
Sander: Zum einen muss man einmal sich die Zahlen anschauen und nebeneinanderlegen. Und die Unterschiede sind nicht so groß, wie sie jetzt vielleicht wahrgenommen werden. Das kann man aus verschiedenen Dokumenten, sowohl aus dem Zulassungsdokumenten und den Studien ziehen, dass beide relativ hohe sogenannte Reaktogenität haben. Das heißt, dass sie relativ häufig Impfreaktionen machen. Das ist eben die Immunreaktion auf diesen Impfstoff. Und beide Impfstoffe sehen für das Immunsystem jetzt erst mal so aus wie ein Virus. Das eine ist eben eine RNA, verpackt in einem Fetttröpfchen. Das ist auch sehr ähnlich eben wie ein Virus. Und darauf reagiert der Körper mit einer Reaktion, die fühlt sich eben so an wie eine leichte Virusgrippe. Und bei dem Adenovirus ist es ja so, da spritzen Sie eine relativ hohe Menge von Adenoviren. Die sind zwar harmlos und die können sich auch nicht mehr vermehren, aber trotzdem sieht der Körper erst mal auf einen Schlag eine ganze Menge Virus und reagiert eben auch darauf. Und das sind eben diese Reaktionen. Dann kriegt man Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, einige kriegen auch nur ein bisschen Abgeschlagenheit oder merken gar nichts. Das ist ja auch individuell unterschiedlich, wie Menschen auch auf Virusinfekte reagieren. Das ist relativ häufig bei dem AstraZeneca Impfstoff ist das so. Bis zu 80 Prozent der Leute, die geimpft werden, beim ersten Mal irgendeine Form von Reaktion zeigen. Die allermeisten sind milde, das heißt, das schränkt im Alltag nicht wesentlich ein. Aber 25, 30 Prozent schränkt es so schwer ein, dass sie zum Beispiel einen Tag krankgeschrieben werden müssen. Das lässt sich damit abmildern, dass man beispielsweise zur Impfung gleich eine Paracetamoltablette einnimmt. Das haben die auch in der Studie untersucht. Und auch danach noch nimmt, dann kann man das noch mal senken, sowohl die Häufigkeit als auch die Schwere dieser Impfreaktion. Also es ist primär erst mal eine natürliche Reaktion, die vermutlich auch gut ist für die Immunantwort, die zwischen diesen beiden Impfstoffen nicht so stark unterschiedlich ist. Der Unterschied liegt da, dass bei dem Vektorimpfstoff anscheinend die Reaktion auf die erste Injektion sehr stark ausfallen kann. Und bei der mRNA ist es so, dass die Reaktion auf die zweite Injektion relativ stark ausfällt oder Personen, die schon mal eine Infektion durchgemacht haben, die dann mit dem RNA-Impfstoff geimpft werden, dass die dann auch stark reagieren. Das muss also immunologisch auch ein bisschen unterschiedlich noch sein, was da passiert. Aber das sind die Unterschiede. Ich glaube, bei beiden kann man stark reagieren. Es ist in der Regel harmlos. Eine Paracetamoleinnahme zum Beispiel könnte das abmildern. Ja, und es ist eine natürliche Reaktion auf diese, ja, was vom Körper als Viren wahrgenommen wird.
Seltmann: Jetzt lehnen ja mittlerweile einige Bürgerinnen und Bürger es ab, sich mit AstraZeneca-Impfstoff impfen zu lassen, weil der angeblich nicht eine so hohe Schutzwirkung ausübt, wie der Biontech- oder Moderna-Impfstoff. Ist das nach wie vor Stand der Wissenschaft, dass dieser Impfstoff einen nicht so zuverlässigen Schutz bietet?
Sander: Also das sind unterschiedliche Impfstoffe. Und man muss auch sagen, die wurden in ganz unterschiedlichen Studien getestet. Und letzten Herbst kamen dann so die ersten Wirksamkeitsdaten raus. Und das, was man am einfachsten messen kann, ist eine symptomatische Infektion. Das heißt, ein Proband, eine Probandin in so einer Zulassungsstudie meldet sich, hat Symptome, Halsschmerzen, Kopfschmerzen, und bekommt dann einen PCR-Abstrich, und dann wird SARS-CoV-2 nachgewiesen. Und dann zählt das als ein Event, egal, wie schwer die Krankheit ausgeprägt war. Die allermeisten haben aber eben nur relativ milde Symptome, auch in diesen Studien. Das sind ja vorrangig gesunde Personen ohne große Vorerkrankungen. Und bei diesen Events, die dann gezählt werden, hat man eben für Moderna und für Biontech/Pfizer eine Wirksamkeit, also eine Reduktion des Risikos, sich so eine symptomatischen Infektion einzuhandeln, von 95 Prozent, irgendwas über 90 Prozent ermittelt. Die ersten Daten, die zu AstraZeneca rauskamen, da war noch eine relativ kleine Studie, die auch ein bisschen komplizierter war als die anderen, da war das errechnet eher so um die 60, 70 Prozent. Und das sieht man natürlich erst mal als Laie vielleicht auch und sagt: Hey, der ist ja 30 Prozent schwächer. Aber im Grunde muss man sich vielmehr fragen, erstens: Was bedeutet das für die individuelle Person? Weil, es heißt nicht, dass 30 Prozent der Geimpften dann trotzdem eine Coronavirus-Infektion bekommen, sondern es heißt, das Risiko ist um so und so viel Prozent reduziert. Und zum anderen muss man gucken, worauf kommt es wirklich an. Am Ende des Tages, wenn man sich impft, glaube ich, ist das, was einen interessiert, ob man geschützt ist vor dieser schweren Erkrankung, die einen ins Krankenhaus bringt und auf die Intensivstation oder schlimmstenfalls auch zum Tode führen kann. Und davor will man sich und seine Familienmitglieder usw., Kollegen und so, ja schützen. Und darauf kommt es eigentlich an. Und da gibt es noch nicht so viele Untersuchungen dazu, da waren die Studien nicht darauf ausgelegt, weil dafür müssten Sie viel, viel größere Studien machen, die müssten zehnmal so groß sein oder noch größer. Aber alles, was sozusagen in den Studien auftaucht, man hat das auch mitgezählt, wie viele waren denn im Krankenhaus, wie viele waren denn schwer krank, und da ist es fast immer so, dass alle schweren Krankheitsfälle waren immer nur im Placebo-Arm, und die traten nie im Impfstoff-Arm auf. Jetzt kann man immer sagen, ja, das kann auch noch ein statistischer Zufall sein. Das stimmt. Aber der Trend ist eindeutig. Und der Trend ist gleich, ob Sie AstraZeneca-Impfstoff nehmen oder Moderna-Impfstoff nehmen oder auch ein paar von den Impfstoffen, die noch nicht zugelassen sind, wo wir die Studiendaten schon kennen. Da sieht das ähnlich aus. So. Und das Nächste ist: Jetzt haben ja einige Länder schon sehr, sehr viel geimpft. Beispielsweise Israel hat sehr, sehr viel geimpft, aber auch in Großbritannien ist schon viel geimpft worden. Und da gibt es jetzt immer mehr so Statistiken, die dort veröffentlicht werden, zum Beispiel von den Krankenkassen oder vom öffentlichen Gesundheitsdienst oder auch von Studien. Und da zeigt sich erstens mal für den Biontech-Impfstoff, dass er das wahrscheinlich hält, was er verspricht, dass er tatsächlich für Infektionen um über 90 Prozent das Risiko reduzieren kann. Aber auch für den AstraZeneca-Impfstoff, da gab es so eine neue Untersuchung aus Schottland, die zeigt, dass nach der ersten Dosis dort auch schon eine ganz hervorragende Wirksamkeit sowohl für den Biontech/Pfizer- als auch für den AstraZeneca-Impfstoff nachgewiesen wurde. Die absoluten Zahlen, die da stehen, die sind sehr prozentgenau angegeben, das hat noch statistische Limitationen. Aber was man daraus schließen kann, das, was wir sowieso schon gesagt haben: Beide Impfstoffe schützen sehr, sehr gut davor, schwer zu erkranken. Das, was die gemessen haben, war nämlich: Muss man ins Krankenhaus? Also Krankenhauseinweisungen. Das reduzieren beide Impfstoffe ganz exzellent. Und das erst nach einer Dosis. Jetzt muss man mal gucken, wie ist das dann nach der zweiten Dosis. Aber man kann das sicher nicht so stehen lassen: Der eine wirkt super gut und der andere wirkt nur so ein bisschen. Weil das, auf das es ankommt, dass man nämlich nicht schwer erkrankt, das schaffen anscheinend beide Impfstoffe ganz gut.
Seltmann: Also Sie hätten sich auch mit AstraZeneca-Impfstoff impfen lassen?
Sander: Hätte ich auch gemacht. Genau. Der war zu dem Zeitpunkt, da lief ja die Zulassung noch, und da war der noch nicht zugelassen. Aber der kommt jetzt eben. Und, klar, da gibt es jetzt diese unterschiedlichen Empfehlungen für das Alter. Wobei ich davon überzeugt bin, dass diese Empfehlungen auch noch mal angepasst werden, weil zum Beispiel diese Daten aus Schottland, die beziehen sich auf über 80-Jährige hauptsächlich. Also das heißt, auch dort scheint der gut zu wirken, dieser Impfstoff. ich glaube, wir brauchen sehr, sehr viele verschiedene Impfstoffe von verschiedenen Herstellern, damit wir die ganze Weltbevölkerung und auch die ganze deutsche Bevölkerung impfen können oder zumindest ein Angebot machen können, weil wir sonst aus dieser ewigen Pandemieschleife nicht ich rauskommen.
Seltmann: Noch mal eine Frage zurück zu der Impfwirkung. Das Virus kommt ja bei einer Infektion nicht direkt in den Muskel normalerweise oder in die Lymphknoten, sondern zunächst landet es erst mal auf den Schleimhäuten in der Nase oder im Rachen. Und da sitzen dann die passenden Immunzellen bereit und Antikörper und fangen das Virus gleich mal ab? Oder wie kann man sich das vorstellen?
Sander: Na ja, bei einer natürlichen Infektion ist es ja sogar so, das Virus dringt in Zellen in unserer Nasen- und Rachenschleimhaut ein und kann sich dort dann ja, wie wir wissen, sehr stark vermehren. Und in dieser Zeit, bevor wir überhaupt erkranken, in dieser Zeit kann das Virus auch bestimmte Immunreaktionen unterdrücken, was es überhaupt erlaubt, dass das Virus sich erst mal stark replizieren kann und große Teile der Schleimhäute infizieren kann. Und in der Zeit ist man natürlich auch ansteckend und kann das Virus weitergeben. Und dann bilden sich irgendwann Symptome aus, weil dann doch eine Immunantwort entsteht. Und dann wandern Immunzellen ein. Man hat zwar Immunzellen so oder so in der Schleimhaut präsent, und die werden, wenn sie mit dem Virus Kontakt haben und passen, sozusagen auch aktiviert, aber es wandern dann Zellen ein, und die nehmen dann auch Teile von Virus wieder mit in den Lymphknoten, wo dann ganz viele Immunzellen sitzen und die richtigen ausgewählt werden können. Und wenn die richtigen ausgewählt worden sind, die das Virus gut erkennen können, also im Falle von T-Zellen, dann wandern diese auch in die Schleimhaut ein und können dort ihre Funktion erfüllen. Und die Antikörper, die können auch natürlich im Lymphknoten gebildet werden, was aber auch passiert bei einer Schleimhautinfektion, und die passiert wahrscheinlich nicht in dem Maße, wenn man es in den Muskel spritzt, dass tatsächlich auch bestimmte Antikörper in der Schleimhaut gebildet werden, sogenannte IgA-Antikörper, die schon auf der Schleimhaut das Virus neutralisieren können, bevor es an diese Zellen andocken kann. Und da gibt es sicher Unterschiede, ob man in den Muskel geimpft wird oder ob man eine Schleimhautinfektion hatte. Und das sind Fragen, die uns auch noch interessieren, wie stark wirkt denn überhaupt eine Infektion, auch wenn sie nur leicht ist oder gar keine Symptome macht und die Weitergabe von Virus verhindert. Die guten Nachrichten dazu sind aber, dass die Statistiken, die wir zurzeit sehen, dass auch die Gesamtinfektionen zurückgehen. Und es gab auch noch mal einen Bericht aus Israel, der hat das auch noch mal beleuchtet, dass es so aussieht, als ob wir auch die Verbreitung des Virus gut verhindern können durch Impfungen. Das ist natürlich eine sehr, sehr gute Nachricht, weil damit kann man wirklich die Pandemie in den Griff bekommen.
Seltmann: Das bedeutet also, wenn jemand geimpft ist und dann mit einem Virus sich infiziert oder ein Virus auf seinen Schleimhäuten landet, dass dann sehr, sehr schnell passende T-Zellen und Antikörper dorthin gelangen und das Virus vernichten?
Sander: Ganz genau, weil sie haben schon ein ausgewähltes Repertoire an Zellen und auch schon Antikörper, die dann die Produktion sozusagen hochfahren können und direkt reagieren können, sodass sie diese Latenzzeit, die es normalerweise dauert, um so eine Immunantwort auszubilden, die wird halt extrem verkürzt. Und dadurch kann das Virus sich gar nicht richtig einnisten bzw. bei Coronavirus spielt ja auch noch die Rolle, dass es dann wirklich in die Lunge gelangt und auch eine Lungenentzündung macht. Und dort, das braucht eine gewisse Zeit. Und durch eine Impfung ist man quasi gut vorbereitet auf so eine Infektion und kann dann sehr schnell zurückschlagen, wenn Sie so wollen.
Seltmann: Bei den ganz schweren Covid-19-Verläufen, da spricht man ja davon, dass es manchmal noch nicht mal das Virus ist, was den Patienten sozusagen so stark mitnimmt, sondern dass das eigene Immunsystem zu heftig reagiert auf die Infektion. Besteht eine solche Gefahr nicht bei einer Impfung?
Sander: Nein, glaube ich nicht. Das ist tatsächlich so, dass diese ganz schweren Verläufe, die bilden sich in der Regel erst in der zweiten, dritten Krankheitswoche aus, zu einem Zeitpunkt, wenn Viruslasten eigentlich schon wieder abfallen. Da ist immer noch Virus, und natürlich setzt sich der Körper mit dem Virus auseinander, aber dort werden bestimmte Immunpfade und Signalwege aktiviert, die eben zu diesen schweren Lungenversagen beispielsweise führen. Die Art von Immunreaktion, die man durch eine Impfung erzeugt, ist aber eine andere. Und ich glaube nicht, dass durch einen vorbestehenden Impfschutz dann so eine Reaktion gebildet wird. Im Gegenteil, das Virus bekommt gar nicht die Gelegenheit, so eine Reaktion anzustoßen mehr im Körper, so eine fehlgeleitete Reaktion. Das heißt, das Virus bleibt maximal noch auf die oberen Atemwege beschränkt, hat vielleicht, wenn es sich in einigen Personen da noch replizieren kann, dann eher auf niedrigerem Niveau vielleicht für eine gewisse Zeit, aber es wird eben verhindert, dass diese schwere Erkrankung ausgelöst wird, weil die Infektion gar nicht mehr so lange dauert und das Virus, sage ich mal, sich gar nicht mehr richtig einnisten kann. Und deswegen gehe ich davon aus, dass sehr, sehr effektiv durch die Impfung diese schweren Verläufe unterbunden werden können, weil die schweren Verläufe entwickeln sich in der Regel aus einem leichten Verlauf heraus, der dann in der zweiten, dritten Krankheitswoche schlechter wird.
Seltmann: Weiß man, warum sich dieser schwere Verlauf entwickelt, häufig sogar bei älteren Menschen, bei denen man eigentlich davon ausgehen muss, dass das Immunsystem ja gar nicht mehr so wahnsinnig aktiv ist?
Sander: Ja, das ist eine interessante Frage, die uns auch umtreibt. Das Alter ist ja mit Abstand der größte Risikofaktor. Und es steigt dann wirklich im höheren Alter dramatisch an. Und natürlich wissen wir, dass die Immunantworten und das Immunsystem mitaltert und dort eigentlich eher, ja, so ein limitiertes Repertoire vorliegt und etwas abgeschwächte Immunantworten generell bekannt sind auch auf Impfstoffe. Da muss man aber wissen, dass nicht alle Arten von Immunantworten gleichermaßen betroffen sind und, da haben wir eine Arbeit, die zurzeit begutachtet wird und die wir hoffentlich auch bald veröffentlichen können, die sich das ein bisschen anschaut, was passiert dann in der Lunge bei denjenigen, die ganz, ganz schwer erkranken. Und dort sind in der Tat überschießende Immunantworten zugange, die sind aber nicht so, wie wir es uns klassisch vorstellen, einfach rein entzündlich, also eine sehr, sehr starke Entzündungsreaktion, sondern es ist eine bestimmte Art von Immunaktivierung, die auch viele Ähnlichkeiten hat mit Wundheilungsreaktionen. Und das sind vielleicht auch Immunantworten, die im Alter weiterhin auch noch erhalten sind. und Teile dieser Immunantwort, die dort aktiviert werden, die sind dann eben in der Situation schlecht. Und vor allen Dingen besteht auch anscheinend ein Defekt, diese Immunantwort irgendwann zu beenden, sondern die verselbstständigt sich dann. Und deswegen bleiben die Patienten sehr, sehr lange auch auf der Intensivstation. Das ist ein sehr spannendes Feld. Und ganz genau, warum die alten Menschen so viel stärker betroffen sind, weiß auch noch keiner.
Seltmann: Ganz am anderen Ende der Generationen und der Erkrankten stehen die Kinder, die häufig ja nicht sehr schwer erkranken, sondern häufig sogar asymptomatisch nur infiziert sind. Für Kinder ist bisher keiner der Impfstoffe zugelassen. Was passiert eigentlich da? Gibt es da Studien? Was ist da geplant, wissen Sie das?
Sander: Also, das stimmt. Die allermeisten Kinder erkranken ganz leicht, ganz mild. Wir führen an der Charité eine schöne Studie durch dazu, die das untersucht, warum ist das bei den Kindern anders, und vergleichen Kinder mit ihren dann infizierten Eltern, und zusammen mit der Kinderheilkunde hier, der Immunologie, verschiedenen Einrichtungen, um das zu verstehen. Was wir aber wissen: dass einige Kinder diese systemischen Inflammationssyndrome entwickeln können, also die relativ schwer dann auch verlaufen können. Das ist selten. Aber das kann passieren. Das heißt, dass nicht alle Kinder so glimpflich davonkommen. Und deswegen ist auch die Überlegung, für Kinder auch Impfstoffe zu entwickeln und zu testen. Und die jetzigen Impfstoffe, die es gibt, die werden jetzt auch schon an Kindern getestet. Allerdings ist es so, und das ist ja auch vernünftig, da tastet man sich langsam mit dem Alter nach unten. Man guckt dann erst, ist es bei Jugendlichen sicher. Sicherheit ist das allerhöchste Gebot, klar. Und wirkt es? Und dann geht man langsam ins Kindesalter hinein. Es gibt mehrere Studien, unter anderem in den USA, es gibt aber auch Anfragen hier in Europa, dass Studien durchgeführt werden, unter anderem zum Biontech/Pfizer-Impfstoff, dass das auch an Kindern geprüft wird. Und das kann möglicherweise, wenn sich jetzt wirklich rausstellt, dass auch die Transmission, die Weitergabe des Virus massiv eingedämmt wird, dann natürlich auch total sinnvoll sein, weil man dann, wenn man Kinder und Lehrer und Lehrerinnen impfen kann, natürlich auch diese ganze Verbreitung, die möglicherweise ja stattfindet, wenn viele Kinder zusammenkommen, viel besser eindämmen kann noch. Aber das sind alles noch relativ offene Fragen. Es wird geprüft. Gerade aktuell, da haben Sie recht, es gibt keinen Impfstoff zurzeit.
Seltmann: Um die Pandemie einzudämmen, und das hoffen wir ja alle, ist es natürlich auch eine wichtige Frage, wie lange der Impfschutz denn voraussichtlich anhalten wird. Es gibt einzelne Meldungen, dass sich Infizierte noch mal haben infizieren können. Gibt es da mittlerweile nähere Informationen? Gibt es schon Beobachtungen, dass auch Geimpfte sich noch mal haben infizieren können? Was schätzen Sie, wie lange so ein Impfschutz anhält?
Sander: Also normalerweise würde so ein Impfschutz, also diese Immunantwort mehrere Jahre anhalten, wenn nicht sogar noch länger. Die Frage ist, das weiß noch keiner, was ist sozusagen ein Schwellenwert für beispielsweise Antikörper oder T-Zellen, unter dem man dann wieder empfänglich wird für eine Infektion, und wie stark ist die dann ausgeprägt, diese Infektion. Und es stimmt, dass es bei Genesenen, die mal am Coronavirus erkrankt waren, es immer wieder Fälle gibt von Reinfektionen. Das ist bisher noch nicht so gut systematisch untersucht. Aber das kommt vor. Allerdings, muss man sagen, ist die Schwankungsbreite der Immunantwort nach einer natürlichen Infektion, die ist auch sehr breit. Wenn Sie die Erstinfektion nur sehr milde hatten beispielsweise, dann kann es sein, dass Sie gar nicht viele Antikörper ausgebildet haben. Und dann, es gibt auch welche, die haben fast gar keine Antikörper ausgebildet. Das ist eher selten, aber es gibt auch welche. Und dann kann man sich schon vorstellen, dass man sich dann wieder anstecken kann. Bei den Impfantworten ist das homogener, da sind die Antikörperspiegel und auch die T-Zell-Aktivierung homogener und höher, dass ich schon nicht glaube, dass es dort so viele Ausfälle geben wird und dass es für mehrere Jahre anhält. Aber ganz genau, wie lange, kann Ihnen das keiner sagen, weil es eben die Impfstoffe noch nicht so lange gibt. Und die andere Komponente, die dann ja reinkommt, ist, dass das Virus sich verändern kann. Und das tut es auch. Und zwar tut es das genau in Regionen wie zum Beispiel Südafrika, wo viele Menschen das Virus schon gehabt haben, also viele schon eine natürliche Immunität aufgebaut haben. Und dann können sich eben veränderte Viren durchsetzen, die einen Vorteil haben, die vielleicht trotzdem noch infizieren können. das sind sogenannte Fluchtmutationen. die scheinen sich schlechter neutralisieren zu lassen durch die Antikörper. Und die scheinen eventuell auch wieder Reinfektion zu machen. Die Frage ist, machen die denn auch schwere Infektionen oder sind das eben, die können sich noch mal kurzfristig in der Nase vermehren und im Rachen und dann wieder weitergegeben werden. Da gibt es meines Erachtens noch keine guten Untersuchungen dazu. Aber das kann natürlich auf uns zukommen. Und dann kann es sein, dass wir auch noch eine weitere Impfung brauchen. Aber pauschal, glaube ich erst mal, wird der Impfschutz für relativ lange andauern.
Seltmann: Es wurde ja auch gesagt, dass bei einer möglichen Mutation, gegen die der aktuelle mRNA-Impfstoff nicht wirken würde, man relativ schnell einen neuen Impfstoff entwickeln könnte, weil das technisch nicht so sehr aufwendig ist.
Sander: Ja, da zeigt sich wieder der Vorteil beispielsweise von der mRNA Technologie. Die hat ja schon so gezeigt, dass sie sehr, sehr schnell ist, sich sehr, sehr schnell aufsetzen lässt. das waren ja die ersten Impfstoffe, die zugelassen wurden auch. Und die haben eben den Vorteil, dass sie schnell angepasst werden können, weil Sie die Sequenz relativ zügig verändern können. Und da müssen Sie nicht die ganze Produktion komplett umstellen, weil da nur einzelne Bausteine sozusagen ausgetauscht werden. Und es gibt Aussagen, dass das innerhalb von wenigen Wochen bis Monaten möglich wäre. Und es gibt in den USA von den Zulassungsbehörden dort, von der FDA, auch schon konkrete Vorgaben, die sind jetzt noch nicht bindend, das sind jetzt erst mal Vorschläge, wie das aussehen könnte. Weil sie müssen dann nicht noch mal die komplette klinische Prüfung durchlaufen, wie das bei dem ersten Impfstoff war, sondern muss dann zum Beispiel beweisen, dass die Immunantwort genauso stark ausgeprägt ist wie bei dem ursprünglichen Impfstoff. Und es gibt verschiedene Tests, die dann durchgeführt werden, die aber nicht so aufwendig sind. Und dann könnte man sich ein System vorstellen, wo mit einem abgespeckten Programm dann auch so ein angepasster Impfstoff zugelassen werden kann, sodass ich mir vorstelle, dass das innerhalb von wenigen Monaten möglich sein könnte.
Seltmann: Trotzdem haben Sie auch die Hoffnung, dass die Impfungen, die verschiedenen Impfstoffe, die es jetzt auch noch immer mehr geben wird, uns dabei helfen können, die Pandemie zu bewältigen? Haben Sie eine Prognose, wie lange wir noch damit zu tun haben werden?
Sander: Das hängt ganz wesentlich von einigen Faktoren ab. Das eine ist eben auch, wie lange wir diese Kontaktbeschränkungen jetzt durchhalten, diese verschiedenen Maßnahmen, und damit dritte Welle, die vermutlich kommen wird, sozusagen eindämmen oder abflachen können. Weil auch das ist natürlich ein wichtiger Faktor. Und das andere sind eben Impfstoffe, die ich glaube, werden sehr, sehr effektiv helfen. Aber dafür müssen eben auch Menschen geimpft werden. Und das ist das Problem. Klar haben wir zurzeit zu wenig Impfstoff für zu viele Menschen. Aber beispielsweise vom AstraZeneca-Impfstoff bleiben zurzeit Impfungen liegen. Und die Verteilung könnte man wahrscheinlich noch besser organisieren. Wir kriegen dann jetzt nach und nach mehr Impfstoffe. Ich glaube, in zwei Tagen berät die amerikanische Zulassungsbehörde über den nächsten Vektorimpfstoff, der auch nur einmal gegeben werden muss. Auf den hoffen wir auch, dass der dann schnell auch in Europa und Deutschland verfügbar wird. Das wäre eine große Hilfe. Und es kommen noch weitere. Dass wir dann hoffentlich im Laufe des Jahres sehr, sehr viele Impfungen bekommen. Das hängt dann im Wesentlichen ab von der Geschwindigkeit, wie schnell wir die Bevölkerung impfen können. Und wenn wir das relativ zügig organisiert bekommen tatsächlich bis Sommer, Herbst, glaube ich, dann haben wir auch einen Punkt erreicht, wo wir dann sehr, sehr viel Normalität wiederherstellen können. Es wird weiterhin Probleme geben, weil nicht alle geimpft werden können und sich dieses Virus einfach immer dann auch wieder verbreiten wird können. Aber ich glaube, das ist eine realistische Timeline.
Seltmann: Ist es auch wichtig, dass man weltweit impft, dass man auch an die Länder denkt, die sich möglicherweise gar nicht so gut organisieren und auch finanziell nicht so gut aufgestellt sind wie wir?
Sander: Ja, das ist absolut kritisch. So eine Pandemie, das sagt das Wort schon, betrifft eben die ganze Welt. Und die kann man auch nur global denken. Natürlich ist es so, dass die einzelnen Länder versuchen, für sich möglichst viele Impfdosen rauszuschlagen. Und da sind eben die wirtschaftsstärkeren Nationen natürlich im Vorteil. Aber es gibt Programme von der WHO, die das eben organisieren und auch mit den Firmen verhandeln und auch mit den Ländern verhandeln, dass dort Impfdosen zur Verfügung gestellt werden. Leider ist es so, dass wahrscheinlich Entwicklungsländer deutlich hinterherhinken werden in der Geschwindigkeit, weil a) die Logistik fehlt und b) auch der Impfstoff teilweise fehlt. Wobei man das nicht unterschätzen darf: Es gibt sehr effektive Impfprogramme gerade in Entwicklungsländern, weil Impfungen dort sehr positive und sehr wichtige Public-Health-Maßnahmen sind. Aber die werden, so sind die Projektionen zurzeit, wesentlich später ihre Bevölkerung impfen können. Und da muss man auf jeden Fall dagegen anarbeiten, um sozusagen zum einen zu verhindern, dass es dort dann zu schlimmen Ausbrüchen kommt mit all den humanitären Konsequenzen, die auch natürlich für uns Konsequenzen haben, und zum anderen auch immer wieder Virus eingetragen werden kann wieder und sich auch Mutationen dann bilden können. Insofern, das ist total wichtig, und das muss man auf jeden Fall global denken.
Seltmann: Wird man denn das SARS-CoV-2-Virus eines Tages komplett ausrotten können oder wird es das immer irgendwo noch geben?
Sander: Nein, das Virus wird man nicht mehr ausrotten. das kommt aus dem Tier und kann sich auch in Tieren vermehren. Und damit ist es schon fast unmöglich. Und ich glaube, das sollte auch nicht das Ziel sein. Das wird sich irgendwann, wenn wir alle, die ganze Bevölkerung auch eine Immunität haben über Impfungen und über natürlich Immunität und dann immer wieder auch Kontakt mit dem Virus haben, wahrscheinlich so einpendeln, dass es immer wieder auch Fälle geben wird von leichter oder auch mal von schwerer Erkrankung, aber dass wir mit diesem Virus uns werden arrangieren müssen. Das wird aber eine ganze Weile dauern, bis man da quasi so einen Zustand erreicht hat, dass das ein Gleichgewicht ist.
Seltmann: Dann bedanke ich mich ganz herzlich für das Interview.
Sander: Sehr gerne.
Seltmann: Und das war der BIH-Podcast „Aus Forschung wird Gesundheit“ aus dem Berlin Institute of Health, dem BIH. Professor Leif Erik Sander erklärte, wie die Impfung gegen das SARS-CoV-2-Virus funktioniert und wie sie uns möglicherweise dabei helfen kann, aus der Pandemie zu kommen. Falls auch Sie eine Frage zur Gesundheit oder zur Gesundheitsforschung haben, schicken Sie sie gerne an podcast@biehealth.de Tschüss und bis zum nächsten Mal sagt Stefanie Seltmann.