Aus Forschung wird Gesundheit

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BIH_Podcast_31_Wie gelangen die Corona-Viren ins Gehirn?

Interviewpartner: Professor Frank Heppner, Direktor des Instituts für Neuropathologie in der Charité – Universitätsmedizin Berlin.

Seltmann: Herzlich willkommen zum BIH-Podcast „Aus Forschung wird Gesundheit“ aus dem Berlin Institute of Health in der Charité, dem BIH. Wir wollen in diesem Podcast Fragen beantworten rund um das Thema Gesundheit und Gesundheitsforschung. Mein Name ist Stefanie Seltmann.

Heute sprechen wir über eine besonders unangenehme Eigenschaft des Coronavirus SarsCoV-2: Seine Fähigkeit, ins Gehirn einzudringen. Wie es das schafft und was es dort anrichtet, das hat Professor Frank Heppner untersucht. Er ist der Direktor des Instituts für Neuropathologie in der Berliner Charité und interessiert sich eigentlich für die Erkrankungen des Gehirns, also etwa die Alzheimerkrankheit oder Hirntumoren. Herr Heppner, und dann wurden Sie letztes Jahr plötzlich zum Coronaforscher?

Heppner: In der Rückschau war das anfangs eine relativ komplizierte Situation, weil ja damals das Robert Koch-Institut noch für die Bereiche Pathologie und Neuropathologie eher eine Zurückhaltung ausgesprochen hat bezüglich des Arbeitens, weil man eben auch nicht wusste ... Hygiene und Infektionsschutz standen im Vordergrund.

Seltmann: Als Neuropathologen interessieren Sie sich natürlich insbesondere für die Nervenzellen und für das Gehirn. Am Anfang dachte man ja, das ist eine Infektionskrankheit, die insbesondere die Lunge befällt und die Atemwege natürlich. Aber dann kamen doch bald die ersten Symptome: Geschmacks- und Geruchsverlust. Haben Sie da gleich den Verdacht gehegt, dass offensichtlich das Virus auch die Nervenzellen befallen könnte?

Heppner: Ja, also der Verdacht lag nahe. Die neurologischen Probleme, die auch von Anbeginn recht prominent waren, Sie haben sie genannt: Geschmacksverlust, Geruchsverlust, Kopfschmerzen, das sind klassische neurologische Symptome, die treten ungefähr in einem Drittel der Fälle auf. Von daher war klar, dass es eigentlich ein Thema auch für uns ist.

Seltmann: Jetzt haben Sie schon gesagt, das Robert Koch-Institut hatte am Anfang eher abgeraten von pathologischen Untersuchungen, also von der Untersuchung von COVID-Verstorbenen, aufgrund der hohen Infektionsgefahr. Hatten Sie da nicht auch Angst, also nicht nur für sich persönlich, sondern auch für Ihre Teammitglieder, dass die sich möglicherweise anstecken? Und Sie hatten das zerstörerische Werk des Virus ja buchstäblich vor Augen. Also da könnte ich mir vorstellen, dass das auch so ein bisschen gruselig war.

Heppner: Ja, absolut. Wir haben natürlich großen Respekt gehabt vor dem Virus – haben wir immer noch, überhaupt keine Frage. Aber wir kennen natürlich andere Viren. Und wir kennen die Tuberkulose-Erkrankung, wo wir auch durchaus als Pathologen exponiert sind. Bei Corona wissen wir, wenn wir die Lungen aufschneiden, generieren wir eben wirklich richtig viele Aerosole. Aber davor kann man sich schützen. Wir haben natürlich entsprechende Schutzmaßnahmen, angefangen von doppelten Handschuhen, von Augenschutz etc., sodass wir an der Stelle wussten, dass wir sicher sind. Und wir haben das auch unverändert hochgehalten. Und ich kann aus der anderen Perspektive sagen, dass wir in all der Zeit, wo wir auch ständig getestet wurden, keinen einzigen Infektionsfall im Institut hatten, was eben zeigt, dass unsere Maßnahmen auch da an der Stelle gewirkt haben.

Seltmann: Wie sind Sie denn jetzt vorgegangen? Sie wollten also wissen, ob das Virus auch das Gehirn befällt? Und am besten wollten Sie ja auch noch herausfinden, wie es da hineinkommt?

Heppner: Ja, wir haben einen Verdacht gehabt, nämlich dass das Virus über die Hirnnerven, also insbesondere über den Riechnerv eintreten kann. Das kennen wir von anderen Viren, die auch gerne mal das Hirn befallen. Und wir haben dann in diesen Regionen diese Route einfach entsprechend dezidiert herausgenommen, und dann die simple Frage gestellt zusammen mit den Virologen: Können wir dort Virus nachweisen?... Das war auch in einer Zeit, wo noch nicht ganz klar war, was das bedeutet, wenn man Virus-RNA nachweist. Bedeutet das auch, dass das ganze intakte Virus nachzuweisen ist, was ja einen Unterschied macht. Und wir haben deswegen auch angefangen von Anbeginn, mit wirklich verschiedenen Untersuchungsmethoden nicht nur RNA zu suchen, sondern auch das Eiweiß mit entsprechenden Färbungen, bis hin zur Elektronenmikroskopie, um wirklich den klaren Nachweis zu führen. Und das eben entlang der Route Riechschleimhaut, das ist quasi der Beginn des Riechnervs entsprechend seiner Verästelung bis ins Gehirn in die Regionen, wo der Riechstimulus dann prozessiert und verarbeitet wird. Und da war dann tatsächlich das Ergebnis: In der Riechschleimhaut finden wir in sehr, sehr vielen Fällen sehr viel Virus. Und je weiter es nach oben geht auf der Route ins Gehirn, desto weniger Virus können wir nachweisen, aber wir können es immer noch dezidiert nachweisen. Und das war sehr suggestiv dafür, dass das Virus zumindest auch diesen Weg ins Gehirn nehmen kann.

Seltmann: Sie als Neuropathologe wissen ja wahrscheinlich, wie so ein Riechnerv und so ein Gehirn in gesundem Zustand aussehen. Was hat denn das Virus mit den Nerven und mit dem Gehirn gemacht? Zerstört es die Nervenzellen oder breitet es sich nur über diese Wege aus? Sieht es anders aus in dem Gehirn oder in dem Nervensystem eines COVID-Patienten?

Heppner: Das Gehirn selbst sieht von außen betrachtet relativ normal aus. Das kann man also mit bloßem Auge nicht erkennen. Also es macht jetzt keine fulminanten Entzündungen, wie wir das vielleicht von einer Hirnhautentzündung, also von der Meningitis kennen oder von einer eitrigen Meningitis. Das ist nicht der Fall. Wir sehen aber, wenn ich jetzt mal zurückgehe auf die Eintrittspforte, nämlich die Riechschleimhaut, schon Veränderungen. Dort können wir also das Virus nachweisen. Wir können es auch nachweisen dort in den Nervenzellen. Die sind verstreut in diesem Riechnerv, das sind quasi einzelne erste Rezeptoren, die sich dann zusammenschalten zu dem Nerv, der sich wie ein Kabelstrang nach oben ins Gehirn zieht. Und diese Nervenzellen sind befallen und sind auch teilweise reduziert. Also die sind durch das Virus geschädigt. Zum Zweiten ist ein weiterer Effekt, den wir sehen können: Dort sehen wir immer wieder auch Entzündungszellen. Das heißt, die Reaktion des Immunsystems auf das Virus ist auch etwas, was wir mikroskopisch sehen können. Aber, das haben wir uns dann im Hirnwasser, im Liquor angeschaut, auch mit entsprechenden Veränderungen von Zytokinen und löslichen Immunfaktoren, die dort ganz dezidiert hochreguliert sind, sodass sozusagen zwei Dinge nachweisbar sind: einmal teilweise das Virus, dann teilweise auf mikroskopischer Ebene entsprechende Veränderungen, Untergänge von Nervenzellen bis hin eben zur Reaktion des Immunsystems. was für uns erstaunlich war, und das haben auch viele andere Studien jetzt im Nachgang bestätigt, in den Nervenzellen des Gehirns selbst haben wir das Virus bis dato nicht nachweisen können. Das ist zwar im Gehirn, aber es findet sich dann immer in den Gefäßzellen, in den Endothelien, und macht dort kleine Veränderungen am Gefäß, kleine Gefäßentzündungen, die eine weitere wichtige Pathologie im Gehirn vermutlich mit unterstützen, nämlich dass an den Gefäßen der Blutfluss stoppt und es dann nachgeschaltet zu Infarkten kommt. Und das ist auch das, was sehr früh bekannt gewesen ist, dass eben viele von diesen COVID-19-Patienten kleinere oder größere Hirninfarkte haben, die dann natürlich auch eine fulminante Klinik machen.

Seltmann: Das heißt, das Virus ist nicht nur über diese Riechnervenzellen ins Gehirn gelangt, sondern auch übers Blut?

Heppner: Genau, das ist das, was wir momentan denken. Es gibt quasi zwei mögliche alternative Eintrittspforten: einmal über die Nerven, wie beschrieben, über die Hirnnerven. Wir haben sie im Übrigen auch nicht nur im Riechnerv gefunden, sondern auch im Trigeminus-Nerv, das ist auch ein wichtiger Hirnnerv. Aber eben zum Zweiten ganz wichtig: über das Blutsystem oder das Blutgefäßsystem. Und das passt zu Befunden, die wir auch in anderen Organen jenseits des Gehirns finden, weil diese Endothelien oder diese Endothelitis, wie wir sie dann nennen, sich auch in der Lunge, in der Niere, in vielen anderen Organen auch finden lässt und auch ein typisches Korrelat einer COVID-19-Entzündung ist.

Seltmann: Und die Blut-Hirn-Schranke greift da nicht?

Heppner: Die Blut-Hirn-Schranke ist immer schwer zu beurteilen. Die ist natürlich ein wichtiges System, wo Austausch von Produkten, von Zellen gewährleistet wird. Man muss davon ausgehen, dass in dem Moment, wo eine starke Entzündung ist, und die können wir ja nachweisen, dass in so einem Kontext immer die Blut-Hirn-Schranke nicht mehr so dicht ist, nicht mehr so viel abhält, quasi aufgeht. Das kennt man aber auch von anderen Erkrankungen.

Seltmann: Können Sie denn sagen, dass durch den Befall der Viren der Geschmacksnerven oder Geruchsnerven, dass das jetzt tatsächlich dazu geführt hat, dass diese Nerven kaputt sind und dass der Geruchs- oder Geschmacksverlust dadurch verursacht wurde? Vermuten Sie das?

Heppner: Das ist so ein bisschen die aktuelle Hypothese, dass durch den direkten Virusbefall die Nervenzellen der Riechschleimhaut zumindest in der akuten Phase nicht mehr funktionieren, teilweise kaputtgehen. Und daraus kann man auch konkludieren, weil dann natürlich immer die Frage kommt, wie reguliert sich das dann über die Zeit, es gibt ja auch ...

Seltmann: Der kommt ja wieder, der Geruchssinn bei den nicht so schwer Befallenen.

Heppner: Bei den nicht so schwer Befallenen. Bei einigen kommt er aber nicht wieder. Und man geht davon aus, dass es letztlich eine Frage ist, wie viele von diesen Nervenzellen geschädigt werden. Wenn das über einen bestimmten Wert hinaus ist, das sind eben auch viele Vorläuferzellen, aus denen sich diese Nervenzellen in dieser Riechschleimhaut generieren, wenn zu viele von denen kaputtgegangen sind, dann wird sich das System wahrscheinlich nicht mehr regenerieren. Das sind dann wahrscheinlich diejenigen Patienten, die langfristig auch entsprechende Probleme haben und beibehalten werden. Und bei denen, wo das nicht so stark befallen war im Riechschleimhautkontext, die werden sich wahrscheinlich regenerieren. Da kennen wir genug Verläufe, wo sich das wieder gegeben hat.

Seltmann: Jetzt haben Sie noch vom Trigeminus-Nerv gesprochen, das ist ja der Zahnschmerz-Nerv. Verursacht dieser Virusbefall oder die Entzündung, die damit einhergeht, denn auch Schmerzen?

Heppner: Mit Sicherheit. Das wissen wir ja von Herpes Zoster oder sonstigen Viruserkrankungen, Gürtelrosen etc. sind sehr, sehr schmerzhaft, ja. Den Trigeminus-Nerv haben wir untersucht im Bereich der Cornea, also im Augenbereich. Dort konnten wir es nachweisen. Aber der hat verschiedene Äste. Und den Bereich, der im Zahn-Kontext eine Rolle spielt, untersuchen wir noch. Frau Meinhardt ist auch dabei mit den Kollegen der Zahnmedizin. Das ist noch ein laufendes Projekt, wo wir uns genauer anschauen, wie sieht es in der Mundhöhle aus, um dem nachzugehen.

Seltmann: Jetzt haben Sie Gürtelrose erwähnt. Das ist ja ein Windpocken-Virus, das sich in den Nervenzellen heimlich versteckt und möglicherweise nach 20, 30 Jahren oder noch länger wieder zum Vorschein kommt. Wäre das bei dem Coronavirus auch zu befürchten?

Heppner: Das ist der Blick in die Glaskugel, denn ich weiß natürlich nicht Ist es ein neurotropes Virus? Das ist der Begriff. Ein neurotropes Virus ist per Definition immer ein Virus, das in die Nerven gehen kann. Man assoziiert aber damit eigentlich Viren, die präferentiell oder fast ausschließlich Nerven befallen, also wie wir es vom Gürtelrosen-Kontext kennen. Und da muss man sagen, dass das Nervensystem kein bevorzugter Ort ist. Das Virus braucht ja bestimmte Rezeptoren. ACE2 ist einer von den bekannten. Und die sind im Gehirn nicht sehr stark ausgeprägt. Wenn, dann dort eher in den Gefäßen, dort, wo wir das Virus auch nachweisen können. Das heißt, es ist vermutlich eher ein Abfallprodukt, eine Gelegenheit für das Virus, weil es so lange in der Riechschleimhaut ist, weil dort so viele Neurone sind, dass es dann eben auch mal diesen Weg nimmt. Das ist aber nicht sein primäres Ziel, so würde ich es mal formulieren. Und andersherum formuliert, kann man davon ausgehen, dass es sich dort nicht versteckt, weil es sich da eigentlich gar nicht so richtig wohlfühlt.

Seltmann: Haben denn Nervenzellen auch diese ACE2-Rezeptoren? Oder wie kommen die Viren in diese Nervenzellen überhaupt rein?

Heppner: Eine sehr gute Frage. Dazu gibt es verschiedene Studien. Je nachdem, welcher man glaubt. Wir sind nicht überzeugt, dass Nervenzellen wirklich ernsthaft ACE2 machen, jedenfalls in einem substanziellen Maße. Genauso nicht wie die Gliazellen, die ja sehr wichtig sind im Gehirn. Und von daher ist der Befall einer Nervenzelle auf direktem Wege über ACE2 vermutlich nicht der Weg. Aber es gibt eben noch andere Rezeptoren und Wege jenseits von ACE2. Von daher kann man das nicht ausschließen, dass eine Nervenzelle befallen ist. Aber eben der primär bevorzugte Weg ist nicht der offensichtliche. Und das erklärt so ein bisschen das, was ich vorher gesagt habe, und auch, warum wir in Nervenzellen des Gehirns das Virus nicht wirklich finden können, sondern dann eben in den Gefäßen.

Seltmann: Sie haben auch untersucht, welche Rolle das Immunsystem spielt. Das Immunsystem in der Lunge spielt ja eine furchtbare Rolle, das ist ja schlimmer als das Virus selbst, wie das Immunsystem dann gegen befallene Zellen vorgeht. Haben Sie eine ähnliche aggressive Vorgehensweise des Immunsystems auch im Gehirn gefunden?

Heppner: Haben wir. Und was man eben bei COVID-19 findet zum einen: dass diese Zellen sehr, sehr stark aktiviert sind, und zum anderen sich auch zusammenrotten zu Knötchen, Mikrogliaknötchen. Plus die Tatsache, dass, wenn wir das vergleichen, die Intensität der Aktivierung mit einigen wenigen Markern, dass die im COVID-19-Kontext deutlich ausgeprägter ist als zum Beispiel als Referenz bei einer HIV-Enzephalitis oder einer Sepsis, die sich im Gehirn niederschlägt. Sodass wir schon auch sagen können, dass auf diesen initialen Befunden beruhend es so aussieht, dass das Immunsystem auch im Gehirn, das hirneigene Immunsystem, was natürlich mit dem Rest des Körpers kommuniziert, dass das stärker aktiviert ist. Und wir haben zum anderen, ich hatte es ja eingangs gesagt, den Liquor untersucht und finden dort eben auch eine Hochregulation von einigen dieser Marker, die auch typischerweise von Mikrogliazellen auch produziert werden. Sodass man da sagen kann: Ja, es kommt zu einer starken Entzündung, die sich in allen Bereichen, sei es im Gewebe im Gehirn oder auch im Liquor, im flüssigen Bereich widerspiegeln.

Seltmann: Ich habe noch eine Frage zu den Symptomen des Hirnbefalls durch das Virus. Man weiß ja, dass die armen Patienten alle eine unheimliche Luftnot haben, und das hat man ja in erster Linie darauf zurückgeführt, dass eben die Lungen befallen sind und vielleicht die Atmung nicht mehr so richtig funktioniert. Könnte es nicht auch sein, dass im Gehirn das Virus, sei es durch die Entzündung, die es auslöst, sei es durch direkten Nervenzellbefall, Atemzentrum, Brechzentrum usw. befällt oder möglicherweise schädigt?

Heppner: Sie haben in Ihrer Frage eigentlich schon die Antwort verpackt. Genauso ist es. Natürlich ist es eine primäre Lungenerkrankung, und die Hauptluftnot kommt, alleine auch von der Zeitachse, weil auch dieses Organ Lunge zuerst befallen ist, mit Sicherheit durch die direkte Affektion der Lunge. Aber es ist natürlich auch so in der Tat, dass wir das Virus unter anderem auch im Hirnstamm, in der Medulla Oblongata nachweisen konnten, das ist das Zentrum, wo sehr viel übergeordnet reguliert wird, wo die Atmung gesteuert wird, wo Herz-Kreislauf gesteuert wird. Und es ist völlig klar, dass ein Befall dieser Regionen, sei es direkt mit dem Virus, wobei man da eben sagen muss, wir finden dort nicht viel Virus, und das eben auch nur in den frühen Phasen, länger nicht, aber wir finden eben die Reaktion des Gewebes, des Immunsystems auf das Virus, dass das natürlich eine Dysfunktion bewerkstelligen kann und zumindest zusätzlich eine ja schon per se durch das Virus geschädigte Lunge nicht unterstützt. Also salopp formuliert: Es hilft mit Sicherheit nicht, dass man dort auch in diesen zentralen Hirnregionen Veränderungen hat.

Seltmann: Jetzt lautet das Motto des BIH: Aus Forschung wird Gesundheit. Können Sie sich denn vorstellen, dass Ihre Forschungsergebnisse dazu beitragen können, möglicherweise die Folgen einer COVID-Infektion zu dämpfen?

Heppner: Das ist natürlich das immer das Ziel und auch der Wunsch unserer Form von Forschung. Wir sind jetzt auch gerade in dem Projekt natürlich getrieben von dem Verständnis der Pathogenese, also wirklich erst mal dem Verständnis, wie sind die Kaskaden, die zur Krankheitsentstehung führen, zum Beispiel zu verstehen, wie das Immunsystem aus dem Lot gerät, denn wenn ich weiß, welche Immunfaktoren, und zwar welche dezidierten Immunfaktoren, da gibt es jetzt auch andere Arbeiten, die Einzelfaktoren entdeckt haben, wenn ich die kenne, dann kann ich die natürlich spezifisch auch immunmodulatorisch angehen. Und es ist, glaube ich, auch ein Erfolg. jetzt nicht unsrer Arbeit, sondern auch die frühe Entdeckung, dass eben die Blutgerinnung affektiert ist, dass man hier entsprechend eingegriffen hat. Es ist ein frühes Verdienst von anderen Forschungsgruppen, mit Immunmodulation, mit Steroiden in bestimmten Situationen einzugreifen. Und das ist letztlich eine direkte Ableitung aus eben solchen Befunden, die viele andere, wir haben ein bisschen dazu beigetragen, gefunden haben. Und von daher glaube ich schon, dass unverändert das Verständnis der Erkrankung, so wie wir es tun und wie viele andere auch tun, die Grundlage ist für eine dann zielgerichtete Therapie. Das ist ja das, was wir wollen. Wir wollen ja keine Gießkannentherapie, sondern wir wollen möglichst dezidiert Bescheid wissen, um ganz dezidiert eben die richtigen Stellschrauben ansteuern zu können.

Seltmann: Es ist ja jetzt ein Jahr nach Beginn oder fast schon anderthalb Jahre nach Beginn der Pandemie auch die Rede von den Long-COVID-Symptomen, die ja häufig auch sich für mich so ein bisschen neurologisch anhören: chronische Erschöpfung, Müdigkeit, Konzentrationsschwäche. Wäre es auch denkbar, dass man, wenn man da jetzt noch genauer aufschlüsseln kann, welche Faktoren dabei eine Rolle spielen, auch diesen Patienten dadurch helfen kann?

Heppner: Absolut. Das ist auch eine unserer aktuellen Aufgaben und Fragestellungen, denen wir nachgehen wollen. Das können wir natürlich per Definition nicht an Autopsiegewebe, denn glücklicherweise haben die überlebt. Wir haben aber angefangen, mit der Neurologie und auch mit niedergelassenen Neurologen zum Beispiel Liquor, also Hirnwasser von Long-COVID-Patienten, so es denn vorliegt, zu sammeln und dort auch zu untersuchen, welche Faktoren sind dort, welche Immunmediatoren kann man dort nachweisen, um Rückschlüsse zu treffen, wie die eventuell einen Teil dieser neurologischen Long-COVID-Probleme beeinflussen. Weil ich glaube, dass inzwischen allgemein davon auszugehen und auch akzeptiert ist, dass die Long-COVID-Probleme keine direkten Virusprobleme sind, sondern eher indirekt getriggert zum Beispiel eben durch das Immunsystem. Und von daher ist sozusagen das Studium, welche Immunveränderungen finden wir bei den Long-COVID-Patienten, ein möglicher Ansatz, auch diesen Patienten zu helfen. Das wird uns, glaube ich, noch lange beschäftigen.

Seltmann: Ja, dann wünschen wir Ihnen dabei viel Glück! Und vielen Dank für diese spannenden Einsichten in Ihre Forschung!

Heppner: Sehr gerne.

Heppner: Seltmann Und das war der BIH-Podcast „Aus Forschung wird Gesundheit“ aus dem Berlin Institute of Health in der Charité, dem BIH. Professor Frank Heppner, der Direktor des Instituts für Neuropathologie der Charité, erklärte, wie es dem Coronavirus gelingt, ins Gehirn vorzudringen. Falls auch Sie eine Frage zur Gesundheit oder zur Gesundheitsforschung haben, schicken Sie sie gerne an podcast@bih-charite.de. Tschüss und bis zum nächsten Mal sagt Stefanie Seltmann.