Aus Forschung wird Gesundheit

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BIH_Podcast_33_Wie gut schützen die Corona-Impfstoffe?

Interviewpartner: Professor Leif Erik Sander, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin.

Seltmann: Herzlich willkommen zum BIH-Podcast „Aus Forschung wird Gesundheit“ aus dem Berlin Institute of Health, dem BIH. Wir wollen in diesem Podcast Fragen beantworten rund um das Thema Gesundheit und Gesundheitsforschung. Mein Name ist Stefanie Seltmann.

Seltmann: Heute wollen wir über die Impfstoffe gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 sprechen, wie sie funktionieren haben wir im Podcast Nummer 29 besprochen, heute wollen wir wissen, wie lange ihr Schutz vor dem Coronavirus anhält, wie gut sie vor den verschiedenen Varianten schützen, vor Ansteckung, Erkrankung und Weitergabe des Virus, und warum bislang kein Impfstoff für Kinder verfügbar ist. Mein Gesprächspartner dazu ist heute erneut Professor Leif Erik Sander, er ist Infektions- und Impfstoffforscher an der Medizinischen Klinik der Charité.

Seltmann: Herr Professor Sander, auf Ihrer Webseite haben Sie ein Foto gepostet, das Sie beim Bergwandern zeigt. Hatten Sie denn in den letzten eineinhalb Jahren tatsächlich mal Zeit, ein bisschen auszuspannen?

Leif Erik Sander: Das Foto stammt tatsächlich aus Zeiten vor dieser Pandemie und ich glaube, das kann ich schon so sagen, dass die Freizeit jetzt in den letzten anderthalb Jahren nicht sehr ausgeprägt war, aber ich konnte dieses Jahr auch einmal mit der Familie in Urlaub fahren, von daher alles, alles gut.

Seltmann: Herr Sander, Sie sind schon seit März geimpft, das haben sie mir beim letzten Podcast beraten. Haben Sie sich in der Zwischenzeit trotzdem vielleicht mal mit SARS-CoV-2 infiziert? Sie kommen ja sicher täglich mit Infizierten zusammen in der Charité?

Leif Erik Sander: Also ich bin sogar schon etwas früher geimpft worden, weil wir eben durch die Corona-Station relativ früh dran waren in der Charité. Soweit ich das weiß, bin ich zwischenzeitlich nicht positiv gewesen im Abstrich oder so, das heißt, selbst wenn ich infiziert gewesen wäre, hätte ich es nicht gemerkt und da wir auch Studien durchführen und verschiedene Untersuchung deutet auch serologisch nichts darauf hin, dass ich jetzt eine unbemerkte Infektion hatte. Aber letzten Endes wird es so sein demnächst, dass auch alle Geimpften irgendwann mal wieder Kontakt haben mit dem Virus, vielleicht auch eine milde Infektion durchmachen und das wird dann aber kein Problem sein, weil sie eben den Impfschutz haben.

Seltmann: Denn man hört ja jetzt auch, dass die Intensivstation sich leider wieder zunehmend füllen. Können Sie das schon sagen, ob es sich dabei dann um Geimpfte oder nicht Geimpfte handelt?

Leif Erik Sander: Das kann man relativ gut sagen, da gibt's auch Untersuchungen auch aus den USA, aber auch hier aus Deutschland natürlich, dass die, die jetzt auf die Stationen kommen, in der Regel, überwiegenden Mehrheit ungeimpft sind, und das obwohl in der Bevölkerung ja die Mehrheit schon geimpft ist. Also das heißt, das Risiko, irgendwie so zu erkranken, dass man auf einer Station oder Intensivstation landet, ist viel, viel höher, wenn man ungeimpft ist. Aber dass jemand, der eigentlich im Grunde gesund ist, immungesund ist, vollständig geimpft ist, sich dann infiziert, so schwer erkrankt, dass wieder eine I ntensivbehandlung stattfinden muss, das ist eine absolute Rarität.

Seltmann: Also das heißt, man kann schon sagen, die Impfstoffe schützen vor schwerer Erkrankung, aber nicht vor Ansteckung und möglicherweise Weitergabe, also Verbreitung des Virus?

Leif Erik Sander: Genau, bei dem Schutz vor schwerer Erkrankung, sprich so schwer, dass man ins Krankenhaus muss oder gar auf eine Intensivstation oder gar verstirbt, da scheinen die Impfstoffe auch über die Zeit einen sehr, sehr guten Schutz zu gewähren. Bei dem Schutz vor Übertragung und überhaupt Ansteckung, da hält dieser sehr, sehr hohe Schutz eben nicht so lange an, sondern lässt ein bisschen nach. Das hat damit zu tun, dass Immunantworten, die sich auch auf den Schleimhäuten abspielen, die sind nicht sehr langlebig sodass man wieder positiv werden kann. Wenn man ganz genau hinschaut, werden auch Leute positiv, die merken das gar nicht und die können dann auch Virus übertragen. Aber insgesamt ist die Wahrscheinlichkeit, dass von einer geimpften Person Virus auf eine andere geimpfte Person übergeht, die ist schon deutlich geringer als zwischen zwei ungeimpften Personen. Das heißt, der Impfschutz ist da nicht absolut, der ist da eben nur teilweise. Man trägt dazu auch was bei, wenn man dann zusätzlich beispielsweise in Innenräumen sich eine Maske aufsetzt, dann ist sicherlich die Übertragungswahrscheinlichkeit auch sehr gering.

Seltmann: Besteht eigentlich ein Unterschied in der Schutzwirkung zwischen den verschiedenen Impfstoffen? Sind die mRNA-Impfstoffe besser als die Vektor-Impfstoffe?

Leif Erik Sander: Also wir können glücklicherweise sagen, dass die Vektor- und die mRNA-Impfstoffe, die zurzeit zugelassen sind in Deutschland und in Europa, alle sehr gut schützen vor schwerer Erkrankung. Aber wenn man jetzt ganz genau hinsieht, dann findet man einzelne Bevölkerungsgruppen, zum Beispiel die sehr alten Menschen, hochbetagten Menschen, vorerkrankten Menschen, bei denen jetzt mit einer ... gewissen Abstand zu den ersten zwei Impfung man in wenigen Fällen auch wieder eine schwere Erkrankung sehen kann. Und da sind die Unterschiede möglicherweise so, dass vielleicht der Schutz bei den mRNA-Impfstoffen etwas besser ist als bei den Adenovirus-Impfstoffen, weswegen jetzt ja auch die Empfehlung ist, Leute, die in Anführungszeichen nur Adenovirus-Vektorimpfstoff bekommen haben, zum Beispiel den von AstraZeneca, dass die auch noch mal eine Auffrischungsimpfung bekommen können. Generell ist es aber so, dass die alle diesen Schutz vor der schweren Erkrankung sehr, sehr gut gewährleisten. Wo man tatsächlich einen Unterschied sieht, ist die Häufigkeit von sogenannten Durchbruchinfektionen, also dass man positiv wird, man auch Symptome hat, aber jetzt nicht schwer erkrankt ... das passiert statistisch gesehen etwas häufiger bei den Adenovirus-Impfstoffen, das sagen zumindest so die Zahlen.

Seltmann: Wissen Sie eigentlich, was mit dem Impfstoff von CureVac los ist? Die wollten doch auch einen mRNA-Impfstoff entwickeln, so ähnlich wie Biontech, und der kommt und kommt nicht auf den Markt. Wo liegen da die Probleme?

Leif Erik Sander: Dieser Impfstoff ist eben nur so ähnlich wie der von Moderna und Biontech, der ist chemisch anders aufgebaut. Während sowohl Biontech als auch Moderna die Bausteine der RNA, die sie für ihren Impfstoff nehmen ... die sind so verändert, dass unser Immunsystem nicht zu stark drauf reagiert. Das hört sich jetzt erst mal ein bisschen kontraproduktiv an, weil wir ja wollen, dass das Immunsystem reagiert, aber das angeborene Immunsystem soll nicht sofort wie verrückt auf die RNA selber anspringen, sondern wir wollen später, dass das adaptive Immunsystem, das lernende Immunsystem eben Antikörper gegen das Protein baut, gegen dieses Spike-Protein, und dafür muss aber erst ausreichend viel Spike-Protein gebildet werden. Und bei CureVac ist es so, die haben eine ... RNA ... die ist chemisch nicht modifiziert, sodass ... das angeborene Immunsystem, das erkennt fremde Nukleinsäuren und RNAs eigentlich sehr gut und springt dann darauf an und macht bestimmte Botenstoffe. Und so war es dann auch bei dem CureVac-Impfstoff so und aufgrund der dann auftretenden Impfreaktionen, die wir ja auch von Biontech und Moderna kennen, konnten die ihren Impfstoff nicht so hoch dosieren, die konnten nur 12 Mikrogramm einsetzen. Und dann mag es auch noch in der Sequenz dieser RNA, die ja auch reguliert, wie viel Protein nachher gebildet wird ... da gab es auch noch Optimierungsspielraum. Ich glaube, letzten Endes wurde nicht genug Antigen gebildet und gegeben mit der Impfung und deswegen waren dann auch die Antikörperspiegel nicht so hoch und deswegen, leider muss man sagen, war dann die Wirksamkeit in den Studien auch unterhalb von 50 Prozent und damit wurde ja das Ziel verfehlt, was man brauchte für eine Zulassung. Und deswegen mussten die ihren Impfstoffkandidaten noch mal nachschärfen. Da gibt es jetzt ganz gute Ergebnisse schon aus ersten Studien, aber das wird noch eine Weile dauern, bis die einen Kandidaten haben, der dann sozusagen zugelassen werden kann. Leider war das natürlich unter dem enormen Zeitdruck, mit dem das Ganze aufgesetzt wurde, zu Beginn, glaube ich so ein kleiner Konstruktionsfehler oder einfach auch Pech.

Seltmann: 12 µg haben Sie gesagt hat CureVac nur, wie viel hat denn Biontech oder Moderna, dass man mal so eine Vorstellung hat?

Leif Erik Sander: Ja, Biontech setzt für die Erwachsenen 30 µg ein und Moderna setzt sogar 100 µg ein. Ich bin überzeugt, Moderna könnte auch mit 50 auskommen oder vielleicht auch mit 30, und vielleicht könnte Biontech auch mit ein bisschen weniger auskommen, weiß ich nicht, aber natürlich: Die haben verschiedene Dosen getestet und haben dann alle eine relativ hohe Dosis gewählt, die noch gut tolerabel war, einfach auch um auf Nummer sicher zu gehen, dass dann auch viel Antikörper gebildet werden, ein guter Schutz erzeugt wird. Und CureVac hat dasselbe versucht, die konnten aber eben gar nicht so hoch gehen, weil dann die Verträglichkeit wirklich, wirklich abnahm und dann hätte man den auch nicht gut geben können, wenn es allen danach hundsmiserabel geht, wenn man den Impfstoffe bekommt, weil man diese grippeähnlichen Symptome bekommt.

Seltmann: Warum ist eigentlich keiner der Impfstoffe bislang für die Kinder zugelassen? Kinder werden doch immer schon sehr früh gegen alles mögliche geimpft. Es gibt Sechsfachimpfstoffe für Babys. Warum darf man nun ausgerechnet diesen Impfstoff aller Impfstoffe nicht an Kinder verabreichen?

Leif Erik Sander: Ja, zum einen ist das nicht, zum Glück nicht ganz richtig, also zumindest Jugendliche können ja geimpft werden, dafür ist der Impfstoffe zugelassen und auch die STIKO empfiehlt jetzt ja auf jeden Fall, dass sich Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren auch mit dem Biontech-Pfizer-Impfstoff impfen lassen. Aber für die jüngeren Kinder ist das richtig, da laufen eben die Studie noch, da wird erst mit einer Zulassung zum Jahresende gerechnet und das ist eben so, wie es auch bei anderen Medikamenten der Fall ist und auch bei Impfstoffen: Man testet das erst, sage ich mal, an so mittelalten, gesunden Erwachsenen, dann nimmt man etwas ältere hinzu, und am Ende fängt man dann an bei den Jugendlichen und arbeitet sich in Anführungszeichen nach unten vor, weil natürlich die Kinder am allerschützenswertesten sind, und man dort auch absolut sicher sein will, dass es sicher und wirksam ist, bevor man an Kindern irgend ein Medikament testet. Und deswegen dauert es länger als für die Erwachsenen, das zuzulassen. Glücklicherweise erkranken die Kinder nur selten schwer. Das ist so der Trost dadran. Nichtsdestotrotz werden wir jetzt einfach sehr, sehr viele Infektionen sehen im Herbst, und die Kinder sind nicht geschützt, und das ist sicher ein Problem, was viele umtreibt.

Seltmann: Ja, was denken Sie denn, wie soll das überhaupt weitergehen mit den Kindern? In Nordrhein-Westfalen, haben wir gehört, sind 30.000 Kinder in Quarantäne, da sind ja mindestens mal 30.000 Mütter oder Väter zusätzlich, die dann als Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ausfallen, soll das den ganzen Herbst und Winter so weitergehen?

Leif Erik Sander: Ja ist eine gute Frage, da will ich jetzt auch gar nicht irgendwie kommentieren, inwieweit man da hätte Vorsorge treffen müssen weiter. Zum einen ist es absolut frustrierend, dass wir nur so eine niedrige Impfquote in Deutschland erreichen. Wir haben ein wirklich gefährliches Virus, was die gesamte Gesellschaft hier lahmgelegt hat, an dem viele tausend Leute in Deutschland gestorben sind, oder es gerade so von der Intensivstation schaffen und vermutlich arbeitsunfähig sind und Ähnliches, also Dinge, die man keinem wünscht, und es gibt eine wirksame sichere Impfung und viele Leute nehmen das noch nicht an, aus verschiedensten Beweggründen. Entweder sind sie noch unsicher, einige vielleicht auch aus Trägheit heraus oder einfach noch nicht die Gelegenheit gehabt, aber so, wie die Impfquote jetzt ist, ist sie halt so niedrig, dass wir im Herbst auf jeden Fall wieder ganz viel Infektionen sehen, und dann ist es auch unmöglich, Gruppen, die sich nicht impfen lassen können oder die nicht drauf ansprechen, mit zu schützen, so wie die Kinder. Also deswegen wird das, wie Sie schon sagen, ein absolutes Problem werden, aber auf der anderen Seite muss man natürlich jetzt auch gute Strategien haben, wie man damit umgeht. Wenn man die Schulen offenlassen will und die Kindergärten und Kindertagesstätten usw., dann muss man da eine Strategie für haben. Die Kollegen aus der Virologie in Köln und dort mit dem Land zusammen haben eine Strategie entwickelt, bei der eigentlich in ganz Nordrhein-Westfalen in den Bildungseinrichtungen die Kinder regelmäßig mit sogenannten Lollitests getestet werden. Das heißt, es ist ein Test, den die Kinder auch nicht unangenehm finden, ja, wie so eine Art Lolli sieht das aus, und dann werden die zusammen per PCR analysiert in größeren Pools, dann ist das auch finanzierbar, und dann geht das auch von der Kapazität her. Das machen die regelmäßig und damit würde man immer Fälle erkennen, und dann könnte man sich auch überlegen, dass nur die, die positiv sind, dann zu Hause bleiben und nicht die ganze Klasse oder nicht die ganze Kitagruppe. Und die anderen würde man ja dann, wenn der Test wieder gemacht wird, dann erkennen, wenn sich da ein Cluster bildet und sich das ausbreitet. Und damit hätte man das Risiko relativ gut eingegrenzt. Jetzt müssen wir mal gucken, wie stark das ganze Infektionsgeschehen hochgeht, wie stark auch aus den Krankenhäusern und allen anderen Bereichen diese PCR-Kapazitäten wieder ausgelastet werden, ob man dann deutschlandweit alle Klassen und Kitagruppen usw. regelmäßig mit einem Lollitest testen kann, das wird sich zeigen. Aber eine Möglichkeit wäre eben, viel, viel mehr zu impfen von den Über-12-Jährigen, und die 12- bis 17-Jährigen sind super motiviert, die wollen sich alle impfen, das ist ganz klasse. Die haben das schon verstanden, dass das für sie eine gute Sache ist. Und aber wir haben in allen anderen Bevölkerungsschichten leider noch zu wenig Geimpfte.

Seltmann: Sie haben schon gesagt, bei den allermeisten Kindern verläuft COVID-19 relativ glimpflich und harmlos. Gibt's denn auch schwere Fälle, gibt es Fälle von Long COVID, weiß man da was drüber, wie stark möglicherweise die Auswirkungen doch sind auch auf Kinder?

Leif Erik Sander: Na, wir haben die Informationen, die man so aus der ersten und vielleicht zweiten Welle kennt. Da kann man sehen, dass relativ wenige Kinder schwer erkrankt sind, nur sehr wenige Kinder ins Krankenhaus mussten, häufig dann eine andere Erkrankung auch hatten, weshalb sie ins Krankenhaus mussten, zum Glück. Die Untersuchungen zu den Folgen, so etwas wie Long COVID, die sind noch nicht ganz eindeutig, finde ich. Da sind unterschiedliche Studien zu gemacht worden, die einen kommen zu dem Ergebnis, dass doch ein erheblicher Teil der Kinder mit Langzeitfolgen zu kämpfen hat, auch wenn die Infektion selber relativ glimpflich verläuft, andere Studien kommen zu dem Ergebnis: Na ja, das gibt's ja bei anderen Erkrankungen genauso. Die haben aber auch technische Schwierigkeiten, weil natürlich, wenn man Kinder mit chronischen Erkrankungen nimmt, die haben eben ja auch langfristig Probleme, also da gibt es schon Hinweise, dass auch Kinder langfristig Probleme haben sollten, und es erschließt sich mir auch nicht, wenn junge Erwachsene, die auch sehr glimpflich aus der Infektion rauskommen, wenn die langfristig Probleme haben, warum das bei Kindern auf einmal nicht der Fall sein sollte. Und dass es das bei Erwachsenen gibt, kann ich aus dem eigenen Bekannten- und Kollegenkreis bestätigen, und es können natürlich auch alle, die diese Ambulanzen machen, bestätigen. Von daher wäre ich da wirklich kritisch, dass man da Folgen provoziert, die man jetzt so nicht absehen kann. Und zum anderen muss man sagen: Die Delta-Variante hat auch noch mal neue Regeln, die erzeugt viel höhere Viruslasten, gerade früh, und das kann schon auch dazu führen, dass noch mal mehr Kinder erkranken. Und in den USA in einigen Bundesstaaten gibt es ja sehr hohe Infektionszahlen, und da schlagen die Kinder- und Jugendärzte teilweise Alarm und sagen: Wir kommen an Kapazitätsgrenzen mit den Betten. Wir sehen eben doch jetzt viele Kinder im Krankenhaus und es gibt jetzt auch doch schwere Verläufe, auch wenn das verglichen mit den ganz Alten selten ist, muss man ja trotzdem sagen: Ein Kind, was auf eine intensiv kommt oder auf eine Station kommt wegen einer Infektion, das ist ja eine seltene Sache, und das wollen wir natürlich verhindern. Und dann gibt's noch als letzten Punkt diese Komplikation von so einem inflammatorischen Syndrom, das also nicht unmittelbar bei der Infektion, aber mit einer gewissen Zeit danach, kann so ein Syndrom entstehen, PIMS genannt, was die Kinder auch ganz, ganz schwer erkranken lässt. Da müssen sie auch ins Krankenhaus, teilweise auf die Intensivstation, die kann man dann ganz gut behandeln, nichtsdestotrotz ist es eine schwere lebensbedrohliche Komplikation, die man auch keinem Kind wünscht. Und all das zusammen führt schon dazu, dass man sagen muss: Das ist eine relevante Gefährdungslage, die man absolut ernst nehmen sollte und nicht sagen: Na ja, dann kriegen die Kinder jetzt alle mal einen Schnupfen und dann hat sich das erledigt. So ist es leider nicht.

Seltmann: Wie ist das denn eigentlich mit den Genesenen? Kommt es bei denen auch vor, dass die ein zweites Mal erkranken, erkranken sie dann auch weniger stark?

Leif Erik Sander: Auch Genesene haben einen sehr guten Schutz vor einer Reinfektion, das kann aber passieren und auch dann erkranken die in der Regel nicht schwer, mit der Ausnahme von denen, die eine Immunschwäche haben und das sind häufig Patienten mit chronischen Erkrankungen, die immunschwächende Medikamente einnehmen müssen, vielleicht weil sie eine Organtransplantation hatten oder eine andere chronische Erkrankung, mit der sie ihr Immunsystem unterdrücken müssen. Da sehen wir gar nicht so selten Reinfektionen und die können auch jedes Mal wieder Probleme verursachen. Bei anderweitig gesunden Menschen, die eine Infektion durchgestanden haben, geht man davon aus, dass sie relativ gut geschützt sind, wobei, auch da muss man einschränkend sagen, und das ist wieder auch eine Untersuchungen, die die Kollegen in Köln gemacht haben, dass bei Personen, die einen sehr milden Verlauf hatten, häufig dann nur sehr niedrige Antikörpertiter da sind, und die können sich dann mit einer einmaligen Impfung sehr, sehr gut auffrischen, und die haben anscheinend dann, solche ehemals Genesenen, die dann einmal geimpft werden, den allerbesten Immunschutz von allen.

Seltmann: Könnte man daraus auch umgekehrt schließen, dass der, der geimpft ist und sich dann trotzdem ansteckt, dass das dann wie eine Art Booster wirkt? Dann müsste man vielleicht sogar sagen: Geht jetzt mal alle Geimpfte ohne Maske raus, holt euch eine leichte Infektion und das schützt dann besonders gut?

Leif Erik Sander: Ja, da gehe ich eigentlich von aus, dass wir da auch einen Boostereffekt sehen werden, denn so ist es ja eigentlich ... den Zustand, den wir erreichen wollen: Wir haben alle einen Grundschutz und können uns dann wieder frei bewegen und auch in Kauf nehmen, dass wir mit dem Virus in Kontakt kommen und vielleicht sogar mit einer gewissen Zeit sogar wieder milde Symptome kriegen und dadurch unseren Immunschutz auffrischen, durch richtig Viruskontakt. Das glaube ich unbedingt, dass das so ist. Jetzt müssen wir so ein bisschen im Interesse der gesamtpandemischen Situation besser jetzt nicht die Infektionszahl noch weiter antreiben, weil wir eben so viele haben, die eben keinen Immunschutz haben, sei es gewollt oder ungewollt, und dass wir schon auch im Herbst wieder einen Druck aufs Gesundheitssystem bekommen und so. Von daher wäre es jetzt nicht so günstig, wenn wir jetzt das befeuern würden, dass die Geimpften sich jetzt unmittelbar auch noch alle anstecken und es weitertragen, zumal, wie gesagt, für eine gewisse Zeit haben wir auch einen sehr guten Schutz auch vor Infektion bei den Geimpften. Aber das wird im nächsten Jahr und über die nächsten Jahre dann so kommen, dass wir uns damit dann wieder auffrischen, gibt's allerdings soweit ich das weiß noch gar nicht so gute Untersuchungen zu. Man weiß es umgekehrt: Leute, die vorher Covid hatten und dann geimpft werden, da weiß man, da steigen die Antikörperspiegel ganz fantastisch an und auch andere Parameter, die man messen kann, die sind sehr, sehr gut, wie es umgekehrt ist, da gibt’s meines Erachtens noch gar nicht so gute Untersuchungen zu, aber da gehe ich ganz fest von aus.

Seltmann: Sie haben schon gesagt: Bei Viren, die sich an der Rachenschleimhaut festmachen, da ist es zu erwarten, dass der Impfschutz nach einer Weile nachlässt, aber woran liegt das denn genau? Eigentlich hat man doch gehofft, dass so eine Impfung ein paar Jahre wenigstens anhält, also Tetanus muss man nur alle zehn Jahre auffrischen.

Leif Erik Sander: Also Tetanus ist ein sehr einfaches Prinzip, das ist nämlich ein Toxin, also ein Giftstoff, der von diesen Bakterien produziert wird, und die ganze Erkrankung des Wundstarrkrampfes geht auf die Wirkung von diesem Toxin zurück. Und wenn man Antikörper gegen dieses Toxin bildet, dann gibt es eben keinen Wundstarrkrampf und deswegen ... und das ist ein einfaches Prinzip, das funktioniert gut, das funktioniert bei anderen Toxinbildnern gut. Bei einem Virus, was sozusagen richtig dann infiziert und lokal sich in der Schleimhaut vermehrt, ist es sehr viel schwieriger zu immunisieren. Was einfacher ist, sind Viren, die beispielsweise über das Blut oder über die Lymphbahnen sich verbreiten müssen, um ihren Lebenszyklus zu komplettieren und um sich zu vermehren und um und die Krankheit auszulösen. Das kennen wir von Masern oder von Polio- oder Hepatitisviren und da reicht es aus, wenn wir im Blut neutralisierende Antikörper haben, weil dann ist sozusagen Endstation für das, Virus sobald es ins Blut kommt oder in die Lymphbahnen kommt, dann wird es neutralisiert. Bei aber einem Virus, was gar nicht richtig in den Körper eindringen muss, sondern nur ganz oberflächlich in der Schleimhaut ein paar Zellen infiziert, dort sich in diesen Zellen vermehrt und dann wieder abgegeben werden kann, sofort den Nächsten infizieren kann, ist es unheimlich schwer für das Immunsystem, eine komplett sterile Immunität zu induzieren. Das heißt, dass sich überhaupt nichts vermehren kann. Das funktioniert nur über Schleimhautantikörper, die auf der Schleimhaut draufsitzen und drauf warten, dass ein Virus kommt. Die sind aber nicht so langlebig. Die bleiben da nicht so lange und auch bestimmte T-Zellen können sich auch in der Schleimhaut ansiedeln und dann, wenn das Virus kommt, zusehen, dass sie die infizierten Zellen abräumen, aber dafür braucht es auch erst mal einen Schleimhautkontakt. Und den gibt es bei der intramuskulären Impfung nicht. Und auch diese Zellen sind in der Schleimhaut der Atemwege nicht so langlebig, es kommt gar nicht auf die Impfung an, in dem Fall kommt es auf die Art des Erregers an und wenn der Erreger systemisch wird, kann man den super neutralisieren, wenn der nur sehr lokal ist, dann ist es eben schwieriger. Und das, was ja die Impfung aber kann und da hält sie auch mehrere Jahre, ist ja diese schwere Erkrankung zu vermeiden und zu unterdrücken und dafür müsste das Virus ja in die tieferen Atemwege, also in die Lunge eindringen und auch sonst Probleme verursachen im Körper, und da ist unser Immunsystem dann aber so gut gewappnet, dass das nicht passiert. Von daher, das ist einfach aufgrund der Art des Erregers zu erklären, das sehen wir bei anderen Atemwegsinfektionen auch.

Seltmann: Muss man jetzt eigentlich neue Impfstoffe entwickeln, die auch gegen die neuen Varianten schützen? Sie hatten gesagt, die Delta-Variante, die ist noch mal viel aggressiver, und da hat man eine höhere Viruslast, oder reichen da die vorhandenen Impfstoffe aus?

Leif Erik Sander: Also die kurze Antwort ist: Gegen die bisher bekannten Varianten reichen die Impfstoffe vollkommen aus, also auch gegen die Beta- und Delta-Variante sind die jetzigen Impfstoffe sehr, sehr gut. Man sieht: Der Antikörperschutz wird etwas abgeschwächt durch diese Viren, aber auf so einem hohen Niveau, dass das komplett ausreicht. Und bei einigen Personen, zum Beispiel den älteren hochbetagten Menschen oder immungeschwächten Menschen, da können die Antikörpertiter insgesamt so abnehmen, dass dann, wenn dann dazu gepaart jetzt eine Delta-Variante kommt, die einfach sehr, sehr viele Viren macht und sozusagen mit einer hohen Dosis vielleicht auch infiziert und dazu diesen leichten Immun-Escape hat, dass man dann sagt: Wir müssen die Immunantwort noch mal auffrischen. Aber da, sehen wir auch, reicht eine Auffrischung mit dem altbekannten Impfstoff, da brauchen wir jetzt keine an eine Variante adaptierten Impfstoffe. Und ich, wenn ich mir überlege: Wenn wir jetzt gesagt hätten, wir passen das jetzt an die sogenannte Beta-Variante an zu Beginn des Jahres, dann hätten wir das vielleicht gemacht und einen neuen Impfstoffe gehabt, und dann kommt die Delta-Variante dann im Prinzip wäre uns da auch nicht mit geholfen. Von daher ist es gut, dass ... die Firmen bereiten sich darauf vor, die machen das auch und es gibt sozusagen ... es ist geklärt, wie das auch regulatorisch funktioniert, wie der Zulassungsprozess wäre und man spielt das sozusagen durch. Wenn jetzt wider Erwarten eine Variante entsteht, die die Impfstoffe wirklich unwirksam macht oder den Immunschutz umgeht, dann könnte man das relativ schnell machen, aber aktuell braucht man das absolut nicht.

Seltmann: Wir haben gerade gesprochen über Auffrischimpfungen, die möglicherweise notwendig sein können. Manche halten dem auch entgegen: Man sollte erst mal viel mehr Menschen insgesamt weltweit impfen, auch in Afrika oder in Südamerika, besser einmal, zweimal impfen, damit das Virus insgesamt ausgerottet wird und sich nicht immer neue Varianten bilden. Auf welcher Seite stehen Sie oder wie sehen Sie diese Diskussion?

Leif Erik Sander: Also zunächst einmal ist es ein Problem und ein Dilemma, dass die Impfstoffe so ungleichmäßig verteilt sind, ungerecht verteilt sind kann man regelrecht sagen, weil natürlich jetzt einige Länder quasi allen Impfstoff, den sie zur Verfügung haben ... sozusagen ihre gesamte Bevölkerung mehrfach versorgen könnten, weil sie so viel Impfstoffe haben, und andere haben gerade mal ein Prozent der Bevölkerung impfen können und das ist natürlich ein unerträglicher Zustand. Darüber hinaus, muss man aber sagen, gibt es Personen, die jetzt geimpft sind, bei denen wir jetzt aber medizinisch-wissenschaftlich feststellen: Mhm, jetzt ein halbes Jahr später, die fühlen sich sicher, reicht denn der Impfschutz überhaupt noch aus? Ja, und da muss man einfach feststellen, wenn man nach Israel schaut: Es gibt Menschen, gerade hochbetagte, die ja ganz zu Beginn geimpft wurden, das heißt, es waren die zu ganz, ganz am Anfang der Kampagnen geimpft worden waren, das heißt, bei denen liegt die Impfung am längsten zurück, zweitens sind das die, die ein vielfach erhöhtes Risiko haben, an dem Virus zu versterben, je nachdem auf welche Bezugsgröße man das rechnet, kommt man da auf ein 600- bis 1000-fach erhöhtes Risiko, an dem Virus zu versterben. Wenn wir jetzt eine Impfeffektivität von 90 Prozent haben, reduziert sich dieses Risiko um 90 Prozent, damit sind sie immer noch viel stärker gefährdet als ungeimpft junge Menschen und wenn die dann sozusagen einen Wirkverlust haben, weil sie ... a.) es am längsten her ist, dass sie geimpft wurden, b.) weiß man, ältere Menschen sprechen notorisch schlecht auf Impfung an, schlechter, weil das Immunsystem mitaltert, und c.) ein wahnsinnig hohes Risiko haben, schwer zu erkranken, dann muss man medizinisch-wissenschaftlich sagen: Für die wäre eine Drittimpfung wirklich angezeigt und vermutlich kann man damit auch wirklich schwere Fälle und Todesfälle verhindern, und zwar in einem hohen Maße, sodass man nicht sagen kann: Es ist jetzt eine Luxusimpfung, wir machen jetzt mal zur Sicherheit noch dritte Impfung, sondern das merken wir richtig relevant an den Todeszahlen und auf der Intensivstationen. Und diese Rationale hat zum Beispiel Israel jetzt angewendet und so ähnlich wird man das vermutlich auch in Deutschland machen. Aber ob man jetzt quasi sagt, wir sehen, die Antikörper gehen ein bisschen runter, wir impfen jetzt mal die ganze Bevölkerung, weil, dann sind auf Nummer sicher – wirken tut das. Wir würden dann auch noch mal einen Rückgang der Durchbruchinfektionen sehen, aber das finde ich ethisch schwierig, weil wie gesagt, der Schutz vor schwerer Erkrankung ist ja erhalten. Und ob jetzt jemand noch mal ein bisschen Fieber bekommt, ist nicht so relevant. Dafür ist es viel wichtiger, dass die ... dass die Bevölkerungen anderswo auf der Welt, dass die geschützt werden. Und deswegen sind das zwei Themen, die muss man parallel verfolgen. Und eine Sache darf man auch nicht vergessen: Gerade auch in Deutschland müssen wir natürlich die Erst- und Zweitimpfungen noch vorantreiben. Wir können uns über Drittimpfungen Gedanken machen. Ich denke das, ist, gerade wenn man als Arzt oder Ärztin tätig ist und sich um seine Patienten sorgt ... dann würde man bestimmten halt empfehlen: Ja, ich glaube, das wäre jetzt wichtig vorm Herbst, aber gesamtgesellschaftlich müssen wir natürlich unbedingt die gesamte Impfquote weiter hochbringen, sonst ... die meisten schweren Krankheitsfälle und Todesfälle gehen natürlich auf das Konto der Ungeimpften. Von daher ist an beiden Argumenten was dran, aber man muss genau hinsehen. Wir haben zum Beispiel eine Untersuchung gemacht mit der Virologie zusammen hier an der Charité, bei ... dem wir verglichen haben unsere Mitarbeiter, die im Schnitt 35 Jahre alt waren, eine Kohorte von ungefähr 100 Personen, und einer Kohorte von ungefähr 100 Personen, die im Schnitt 82 Jahre alt waren. Es waren aber in der Regel relativ rüstige Leute, die noch zu Hause gewohnt haben oder in so einer betreuten Einrichtung. Und bei den älteren war nach dem halben Jahr ... hatten 40 Prozent keine neutralisierenden Antikörper mehr gegen die Delta-Variante. Und da kann man wirklich von ausgehen, dass die dann auch nicht mehr gut geschützt sind und auf ... und bei den jüngeren Leuten war das eben nicht so, da waren eigentlich alle noch positiv. Von daher, denke ich, ist das auch noch mal ein Grund: Hei, die haben ein hohes Risiko und wir sehen, dass die ihren Immunschutz verlieren, da ist es anzubieten.

Seltmann: Woran liegt das denn eigentlich, dass in ärmeren Ländern noch so wenige Menschen geimpft sind? Gibt es nicht genügend Impfstoff, ist es eine Frage der Produktion, des Transports oder der Verteilung oder ist es eine Geldfrage?

Leif Erik Sander: Na ja, es ist beides sicher, weil natürlich, die Impfstoffe kosten Geld und diese Firmen haben ja auch ihre Produktionskapazitäten erst sukzessive ausgebaut, wir kennen das ja auch noch aus Deutschland. Auch wir hatten nicht von Anfang an ausreichend Impfstoff und haben erst nach und nach ... Wir haben aber schon vorab Verträge geschlossen und Geld gezahlt dafür, dass wir das bekommen. Wir haben sogar von Firmen Impfstoffe gekauft, die am Ende gar nicht geliefert werden können, weil wir sichergehen wollten. Und das sind natürlich Taktiken und Strategien, die Entwicklungsländer ... die nicht so realisieren können, also es liegt da schon am Geld, aber liegt natürlich auch daran, dass nicht genug Impfstoff vorhanden ist jetzt, um die gesamte Weltbevölkerung zu versorgen. Das wird irgendwann der Fall sein, deswegen gibt es ja so Programme der WHO, die darauf setzen, dass eben Industrieländer bessere ... sozusagen Länder mit einer stärkeren Finanzkraft ärmeren Ländern und im globalen Süden und Ähnliches die Impfstoffe zur Verfügung stellen können. Und da brauchen wir einfach noch mehr Solidarität, weil ich glaube, die Finanzkraft hier ist stark genug und ist auch natürlich in unserem Interesse, dass das geschieht. Ich finde nicht, dass wir eigene medizinische Entscheidungen davon abhängig machen können, ob an anderer ... Stellen in der Welt dieselbe medizinische Leistung zur Verfügung steht, weil das natürlich in vielen Bereichen der Medizin so wäre, auch eine Krebsbehandlung ist in vielen Orten der Welt nicht möglich in dem Maße. Aber wir sollten aufpassen, dass wir hier nicht unnötige Dinge durchführen und damit die Gesundheit der Menschen an anderen Stellen gefährden. Von daher denke ich: Das, was hier absolut nötig ist, das müssen wir tun, und ansonsten müssen wir uns wirklich darum kümmern, dass genug Impfstoff auch in die anderen Länder geht, die nicht ganz so finanzstark sind, damit dort die Leute geschützt werden können.

Seltmann: Wie lange, denken Sie, wird uns die Pandemie noch begleiten – bis zum nächsten Frühjahr, noch länger, für immer?

Leif Erik Sander: Ja, eine seriöse Aussage drüber zu machen, ist gar nicht möglich. Ich hätte, wenn Sie mich früher gefragt hätten, und das habe ich auch am Anfang des Jahres in anderen ... an anderen Stellen gesagt, dass ich davon ausgehe, dass nach dem ... das wir das erste Halbjahr schwierig haben, das zweite Halbjahr dann gut wird. Und jetzt ist es leider nicht so, sondern wir haben eine kurze Sommerpause gehabt, letzten Endes mit niedrigen Zahlen und eigentlich das öffentliche Leben normal wiederhergestellt, und jetzt werden wieder sehr stark steigende Zahlen haben und das ist das, was ich nicht erwartet habe, weil ich zum ersten nicht habe kommen sehen, dass wir die Delta-Variante bekommen, und zum anderen auch nicht erwartet hab, dass sich nur 60 Prozent der Leute oder 65 Prozent der Leute impfen lassen. Aber es wird sein, wir werden sehr, sehr hohe Infektionszahlen kriegen, dann werden wir darüber die Zahl der Genesenen stark erhöhen, das heißt also, die Rate derer, die seropositiv Antikörper am Ende haben, die wird schon am Ende des Winters sehr viel höher sein. Und je nachdem, ob wir noch irgendwelche Überraschungen mit Varianten erleben und wie stark dann auch in Anführungszeichen die Durchseuchung letzten Endes dann ist und die Seropositivität und vielleicht dann auch doch noch mal die Impfmotivation, kann das schon sein, dass wir in so einen endemischen Zustand dann irgendwann im nächsten Jahr übergehen, dass eben dieses Virus zwar zirkuliert, aber eben nur noch leichte Verläufe macht, in seltensten Fällen nur noch schwere Erkrankungen und dass es dann irgendwie, ja, dazugehört, aber nicht mehr so ein Ausnahmezustand ist. Aber wie wir dahin kommen, das liegt so ein bisschen in unserer eigenen Hand.

Seltmann: Ja, Herr Professor Sander, dann bedanke ich mich ganz herzlich für das Interview.

Leif Erik Sander: Sehr gerne.

Seltmann: Und das war der BIH-Podcast „Aus Forschung wird Gesundheit“ aus dem Berlin Institute of Health, dem BIH. Professor Leif Erik Sander erklärte, wie gut und wie lange uns die verschiedenen Impfstoffe vor COVID-19 schützen. Falls auch Sie eine Frage zur Gesundheit oder zur Gesundheitsforschung haben, schicken Sie sie gerne an podcast@bih-charite.de Tschüss und bis zum nächsten Mal sagt Stefanie Seltmann.