Aus Forschung wird Gesundheit.
BIH_Podcast_35_Wie verschließt man Wunden im Weltall?
Interviewpartner: Professor Georg Duda, BIH Chair für Engineering Regenerative Therapies, und Bianca Lemke, Doktorandin im Julius Wolff-Institut des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH).
Seltmann: Herzlich willkommen zum BIH-Podcast „Aus Forschung wird Gesundheit“ aus dem Berlin Institute of Health in der Charité, dem BIH. Wir wollen in diesem Podcast Fragen beantworten rund um das Thema Gesundheit und Gesundheitsforschung. Mein Name ist Stefanie Seltmann.
Seltmann: Heute bin ich zu Gast im Julius-Wolff-Institut für Biomechanik des BIH und spreche mit Professor Georg Duda, BIH Chair für Engineering Regenerative Therapies, und Bianca Lemke, seiner Doktorandin. Die beiden Wissenschaftler entwickeln gemeinsam mit dem Unternehmen Cellbricks einen 3-D-Drucker, der ein spezielles biologisches Pflaster drucken kann, das auf Raumflügen zum Einsatz kommen soll. Ob das vom DLR geförderte Projekt auch tatsächlich funktioniert, wollen die beiden demnächst bei einem Parabelflug testen. Ein spannendes Projekt, und deshalb freue ich mich sehr, dass sowohl Professor Duda, als auch Bianca Lemke sich heute die Zeit nehmen, um mir ein paar Fragen zu beantworten. Guten Tag, Herr Professor Duda.
Georg Duda: Guten Tag.
Seltmann: Guten Tag, Frau Lemke.
Bianca Lemke: Guten Tag.
Seltmann: Herr Duda, ein Pflasterdrucker fürs Weltall? Wie kamen Sie auf diese Idee?
Georg Duda: Ja, das war eigentlich eine relativ spontane Idee. Wir haben in einer vorherigen Doktorarbeit mit dem Unternehmen Cellbricks und einer Doktorandin bei uns ein Patch entwickelt, mit dem wir glauben, Anlagen von Gefäßen drucken zu können. Das haben wir erst so als Modellsystem gedacht und haben dann überlegt, wo können wir das eigentlich auch wirklich noch weitertreiben auf einer translationalen Kette. Und dann kam die Idee auf, dass man das wahrscheinlich auch als einen Wundverschluss sehen könnte. Bei einer Sitzung der DLR (Anmerkung der Redaktion: Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt) haben wir diskutiert, was für Möglichkeiten und Chancen letztlich existieren und welche Herausforderungen in der Luft- und Raumfahrt. Und nach dem Treffen habe ich dann Cellbricks angerufen und habe gesagt: Ich glaube, wir müssen dringend was besprechen und müssen dringend uns aufmachen, ein Projekt mit der DLR zusammen zu konzipieren und einen Druck, 3D-Druck, Biodruck im Weltall realisieren.
Seltmann: Und warum haben Sie überhaupt diesen Drucker bei der DLR vorgestellt? Also hatten Sie da regelmäßigen Austausch? Es ist ja ungewöhnlich, dass jemand, der ein medizinisches Projekt verfolgt, bei der DLR ((Anmerkung der Redaktion: Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt) vorspricht.
Georg Duda: Die DLR ist sehr aktiv im Themenfeld Medizin. Und das war ein internationales Symposium, was die DLR organisiert hatte, wo sie ihre medizinische Forschung vorgestellt haben. Und deswegen kam in diesem Zusammenhang auch das Thema auf. Und in der DLR sind seit geraumer Zeit 3D-Drucke, also eher aber als Reparaturstrategien für Teile, Bauteile von Raumstationen, sehr wohl ganz hoch im Kurs und sehr aktiv. Sehr, sehr limitiert die Frage, inwieweit Biologie vielleicht mit Druck kombinierbar sein könnte. Und daraus entstand dann aber die Idee: Kann man da nicht, wenn das eine Interesse da ist, das andere Interesse da ist, eigentlich eine Kombination mal gemeinsam wagen?
Seltmann: Jetzt soll das als Wundverschluss dienen. Welche Wunden haben denn die Astronauten? Woran verletzen sie sich?
Georg Duda: Da gibt es eine ganze Reihe Möglichkeiten, Aber was realistisch ist, ist letztlich eine Hautverletzung. Wobei wir da weniger an Schnittverletzungen denken als an Brandverletzungen. Es gibt für Brandverletzungen Behandlungsstrategien auch auf der Erde, die zum Teil sehr gut funktionieren. Die Frage ist aber, ob bestimmte Lösungen noch mehr an die individuellen Bedürfnisse der Patienten angepasst werden könnten. Und Sie können in so einer Raumstation natürlich dann nicht beliebig viele Möglichkeiten vorhalten. Und dann kommt so ein Gedanke, inwieweit ein 3D-Druck vielleicht eine Möglichkeit wäre, individuelle Lösungen auch vorzubereiten, ohne sie komplett ausgearbeitet zu haben, also eine Individualisierung auch schnell umsetzen zu können. Das ist noch sehr spacig und weit weg wahrscheinlich von der unmittelbaren Lösung, aber die Machbarkeit zu prüfen, das ist hier die Idee.
Seltmann: Und woran verbrennen die sich?
Georg Duda: Das ist ja eine technische Umgebung, in der ohne weiteres auch Brandverletzungen auftreten können. Und das Kernproblem ist: Das schnelle Zurückkommen auf die Erde ist halt nicht so leicht möglich. Und wenn man dort Wundverschlüsse hätte, die zu weniger Narbenbildung führen und deswegen Brandverletzungen oder andere Hautverletzungen nicht zu einer narbigen Ausheilung kommen, sondern zu einer narbenfreien Heilung kommen, wäre das sicher sehr hilfreich. Das ist so der Grundgedanke, der dahintersteckt.
Seltmann: Also, man denkt da tatsächlich an so eine Art Hauttransplantat?
Georg Duda: Normalerweise sind es grundsätzlich Hauttransplantate, die hier in der klinischen Routine eingesetzt werden. Das wäre schwierig im Weltall vorzuhalten oder unnötig ein Stück weit. Auf der anderen Seite, wenn man individuelle Lösungen dann dort realisieren kann, und dafür gibt es im Prinzip Ansätze, die gar nicht so schlecht funktionieren auf der Erde, aber halt nicht mit Druck, sondern einfach als klassisch Tissue-engineerte Produkte schon seit einiger Zeit.
Seltmann: Also Gewebe?
Georg Duda: Gewebe, zelluläre Produkte, wo Zellen in Biomaterialien als Haut- und Wundverschluss angesetzt werden mit und ohne Zellen. Die Strategien gibt es relativ breit. Aber es ist halt noch nie, soweit wir das überblicken, wirklich zu einer Personalisierung gekommen im Sinne von der entsprechenden Form und der Ausprägung der Lösung, der therapeutischen Lösung letz tlich.
Seltmann: Kann man denn sagen, dass im Weltall die Wunden schlechter heilen als auf der Erde? Oder gibt es da zunächst mal keine Unterschiede?
Georg Duda: Ich glaube, dafür wissen wir noch zu wenig. Also das ist eine ganz andere Dimension. Das eine ist, und das ist jetzt erstmal der Fokus dieses Projektes: Können wir überhaupt genauso gut drucken im Weltall wie auf der Erde? Das ist die ganz banale Frage, mit der wir uns erstmal beschäftigen. Und damit gehen wir jetzt auch in den Parabelflug rein. Die komplexere Frage, wie verhalten sich denn die Zellen, vor allen wenn wir sie vorbereiten, und wir fliegen sie hoch und sie sind dann da oben und sind sie dann in der gleichen Fähigkeit, erhalten wir sie genauso oder ändern die sich trotz Kühlung dann dort, das wissen wir noch nicht. Und die dritte Dimension: Wie regeneriert denn dann Gewebe unter solchen Bedingungen versus einer terrestrischen Heilung? Ist auch noch nicht richtig durchgängig verstanden. Es gibt erste Ansätze dazu, zu witzigerweise Knochenheilungsmodellen. Das interessiert uns natürlich auch. Aber wirklich relevante, statistisch stabile Versuchsreihen sind dazu so noch nicht gelaufen.
Seltmann: Jetzt haben Sie gesagt, Sie versuchen, mit diesem 3D-Drucker Gewebe zu drucken und auch Gefäße, also Blutgefäße. Beschreiben Sie doch mal, wie dieser 3D-Drucker funktioniert. Wie druckt man ein Blutgefäß?
Bianca Lemke: . Also unser 3D-Drucker funktioniert nach dem stereolithografischen Prinzip. Dabei hat man eine UV-polymerisierbare Tinte. Und diese Tinte wird dann schichtweise ausgehärtet. Und man kennt diese Drucktechnik bereits aus den Bereichen Plastik oder teilweise auch Keramik. Aber in unserem Fall werden damit Hydrogele gedruckt auf Basis von funktionalisierter Gelatine. Und dieser 3D-Drucker auf diesem stereolithografischen Prinzip, da hat die Firma Cellbricks schon sehr viel Erfahrung gesammelt und hat dort auch ein eigenes Produkt entwickelt, einen eigenen Drucker. Und dieser wurde jetzt modifiziert Weil der große Nachteil von Stereolithografie im Weltall ist ...
Seltmann: Können Sie dieses Wort einmal etwas langsamer sagen? Das verstehe ich noch nicht so richtig.
Bianca Lemke: Die Stereolithografie. Das ist eine Aushärtung unter UV-Licht meistens, also Licht einer bestimmten Wellenlänge in dem Moment.. Und dafür nimmt man meistens Tintenbäder. Dort wird eine Druckplattform in ein Tintenbad abgesenkt, und von unten wird dann beleuchtet oder belichtet mit einer Projektion. Und dieses Tintenbad ist flüssig. Das heißt, man kann sich vorstellen, dass im Weltall dann die Tinte sich auf den Weg macht und in alle Richtungen schwebt. Und nun hat die Firma Cellbricks den Drucker so weit oder das System weiterentwickelt, dass auch nun der Druck in der Schwerelosigkeit hoffentlich funktioniert.
Seltmann: Und jetzt ist die Tinte ja sicher keine Tinte oder Druckerschwärze, was man so sich vorstellt, sondern das muss ja jetzt irgendwas Biologisches sein.
Bianca Lemke: Wir arbeiten hier mit sogenannter GelMA, das ist funktionalisierte Gelatine mit Methacrylat-Enden, die dann mit einem Photoinitiator eine Kettenreaktion startet unter UV-Licht.
Seltmann: Und dann hat man eine Art Patch gedruckt oder so eine Art Pflaster, biologisches Pflaster, das man sich dann auflegen kann?
Bianca Lemke: Genau. Die Idee ist quasi, dass der Astronaut, der sich verbrennt, dann diese Wunde in irgendeiner Form vermisst oder sich die Dimensionen anguckt und dann da dementsprechend diesen Patch dann druckt und auf die Haut aufbringt. Und Normalerweise ist es so, dass die Wunde von außen nach innen heilt. Bei Brandwunden ist oft das Problem, dass man eine sehr große Fläche hat, die diese Wunde überspannt. Und dort reicht es zeitlich nicht aus, wenn man darauf wartet, dass die Wunde von außen nach innen heilt. Deshalb nimmt man ja auch auf der Erde die sogenannten Autografts, also die Hauttransplantation, um eben die Fläche zu bedecken und die Wundheilung auch zu beschleunigen. Und unsere Idee ist, dass wir jetzt dort auch einen Patch aufbringen, um quasi dasselbe zu machen, um die Wundheilung an der Stelle zu beschleunigen und natürlich auch die Wunde abzudecken gegenüber Infektionen.
Seltmann: Das haben Sie sicherlich auf der Erde schon mal ausprobiert mit diesen Patches auf Brandwunden?
Bianca Lemke: Leider noch nicht. So weit sind wir noch nicht. Das ist die Idee, der wir sozusagen Schritt für Schritt entgegenkommen. Unser Ziel ist, erst mal ein Wundheilungsmodell zu entwickeln, wo wir die Geschwindigkeit der Wundheilung in gewisser Weise regulieren oder verändern können, um dann einen Schritt zu machen in Richtung dieses Patches. Es gibt schon einige kommerziell erhältliche Wund-Patches, die auch auf Brandwunden bereits genutzt werden, aber die sind leider auch in der Heilung immer noch deutlich schlechter als eine Hauttransplantation. Und dementsprechend ist unser Ansinnen in dem Moment, ein Modell zu entwickeln, was vielleicht dann in Zukunft diese Produkte verbessern kann und was sich dann natürlich auch 3D-drucken und im besten Fall im Weltraum 3D-drucken lässt.
Seltmann: Wie lange dauert das denn, bis so ein Patch gedruckt ist? Wie lange muss der Astronaut dann abwarten?
Bianca Lemke: Je nach Schichtdicke dauert das oder nach Dicke des Patches dauert es ungefähr 15 bis 30 Minuten. Und natürlich auch davon abhängig, wie groß die Wunde am Ende ist. Der Bauraum eines Druckers ist natürlich auch begrenzt. Dementsprechend sind eventuell mehrere Drucke nötig, um die gesamte Wundfläche abzudecken. Und dementsprechend kann das in Summe einige Zeit dauern. Aber wir sprechen hier von Stunden.
Seltmann: Und der Astronaut ist medizinisch so weit ausgebildet, dass er sich das selbst auflegen kann? Oder liegt dann da eine Anleitung dabei?
Bianca Lemke: Auch heute ist es schon so, die Astronauten nehmen ja viele Experimente mit auf ihre Mission. Und sie werden am Boden vorher sehr viel und sehr intensiv geschult in der Bedienung der Experimente und natürlich auch in der Umsetzung nachher. Und so wird es natürlich auch dafür ein Training geben, dass der Astronaut dann auch weiß, was er in dem Moment zu tun hat. Aber nichtsdestotrotz ist meistens ein medizinisch mehr geschulter Astronaut mit an Bord, der dann sowas auch gut übernehmen kann.
Seltmann: Und diese Patches sind individualisiert, haben Sie gesagt. Aber das bedeutet, individuell in der Ausformung der Wunde. Das Material wäre für alle Astronauten das gleiche?
Bianca Lemke: Individuell sowohl in der Ausformung der Wunde als auch, dass wir darauf abzielen, in die Richtung personalisierte Medizin zu gehen. Es wäre natürlich denkbar, dass man Material des Astronauten auf der Erde vorher kultiviert und dann in einem gefrorenen und dauerhaften Zustand mit an Bord nimmt, um dann dort an Bord dieses Patch zu drucken, um dann natürlich auch die Abstoßungsreaktion so gering wie möglich zu halten.
Seltmann: Und Material vom Astronauten, das heißt Gelatine vom Astronauten oder ...?
Bianca Lemke: Die Idee dieses Patches ist es, dass wir nicht nur die Gelatine haben, sondern dass tatsächlich auch lebendige Zellen mitgedruckt werden, damit dieses Patch an sich als biologisch aktiver Bestandteil auch mit der Wundheilung beginnt oder sich dort auch schon Strukturen ausbilden, bevor sozusagen die eigentliche Wundheilung der Wunde die Mitte erreicht hat.
Seltmann: Und die Zellen, die sind auch in der Tinte mit drin oder wie kommen die Zellen in dieses Patch hinein?
Bianca Lemke: Die Zellen werden tatsächlich mit eingedruckt. Dementsprechend ist die Idee, sie in diese Tinte mit hineinzumischen. Und man kann durch diesen Multimaterialdruck zumindest auf der Erde verschiedene Zelltypen nehmen. Im Weltraum mit dem jetzigen System müssen wir uns da ein bisschen mit Tricks behelfen, und in dem Moment kann man verschiedene Zelltypen beispielsweise auch durch verschiedene Drucke erzeugen und dann einfach übereinanderlegen, je nach ... Zum Beispiel für die Haut ist es ja eine Bilayer-Struktur, dort hat man zwei verschiedene Teile. Und dann kann man sich überlegen, dass man quasi beide einfach übereinanderlegt, um so auch verschiedene Zelltypen zu simulieren.
Georg Duda: Da war jetzt ein Punkt dabei, den die Bianca genannt hat, der sehr wichtig ist. Es geht darum, dass wir ein Biomaterial haben, was wir drucken. Und das Besondere hier ist, dass wir in dieses Biomaterial Zellen einbringen können und in den Druck integrieren können. Und das können wir so machen, wie Bianca das gerade gesagt hat, für verschiedene Layer von Gewebe, also zum Beispiel die verschiedenen Formen der Haut, wo verschiedene Zellen jeweils drin sind. Wir können aber auch für Gefäße Kanäle drucken, die dann sich auflösen und wo wir in diese sich auflösende Substanz auch Zellen reinbringen. Da kommt dann der witzige Effekt, dass die Zellen nicht verschwinden. Das Biomaterial verschwindet, die Zellen haften dann an dem, was übrigbleibt an. Und dadurch entsteht dann eine Art Gefäßstruktur oder eine Anlage für eine Gefäßstruktur. Auf die Art und Weise sind wir in der Lage, verschiedene Gewebestrukturen zu drucken als auch Gefäßstrukturen zu drucken. Zur Praktikabilität ist dann natürlich die Frage: Wie wird das dann sein? Nehmen wir dann für jeden Astronauten drei verschiedene Kartuschen mit mit den Gefäßzellen, mit dem Unterhautgewebe und dem oberen Hautgewebe, also verschiedene Zelltypen für verschiedene Formen? Das ist wahrscheinlich das jetzt Naheliegendste als Strategie zum jetzigen Zeitpunkt. Wie komplex man das Ganze eines Tages bauen kann und auch vorrätig hält und wie schnell das alles funktioniert, das ist auch genau das Ziel jetzt von dem Parabelflug, den wir haben, dass wir erstmal überhaupt sehen wollen: Funktioniert der Druck mit solchen Suspensionen?
Seltmann: Ja, kommen wir mal auf diesen Parabelflug zu sprechen, der demnächst starten soll. Wie kann man sich das vorstellen? Wie genau geht das vor sich?
Georg Duda: Also wahrscheinlich haben das viele ja schon mal im Fernsehen gesehen, es gibt ja mehrere Aktivitäten dazu in Europa und auch in Nordamerika. Das heißt, das ist eine Boeing-Maschine, die steigt auf und ist dann in einer bestimmten Anstiegsphase und fällt dann wieder ab im Flug. Die macht das mehrfach hintereinander über einen Flugzyklus. Und in jedem dieser Fallflugelemente kommt es zu einer Zero Gravity, also keiner Gravitationskraft, alles schwebt. Sobald dann der Wendepunkt wieder unten erreicht ist und wieder zurückgeflogen wird, kommt die mehrfache Gravität hinein. Das heißt, für die einzelnen Momente des Fluges haben wir unterschiedliche Beschleunigungen oder halt unterschiedliche Erdanziehungskräfte, die wir spüren können. Und damit ist es ein super Modell, um zu gucken, wie stabil ein solcher Drucker ist und wie gut sowas reproduzierbar druckt. Idealerweise haben wir in unserem Druck nachher gar keinen Unterschied, ob wir jetzt ohne Gravität oder voller Gravität gefahren sind.
Seltmann: Das heißt, Sie drucken die ganze Zeit durch?
Georg Duda: Wir drucken zum Beispiel die ganze Zeit durch. Es sie mehrere verschiedene Versuchsaufbauten, die wir haben Für uns die Kernmessage oder Kernhypothese ist, dass dieses System sehr stabil druckt unter diesen Bedingungen.
Seltmann: Und wie kann man sich das jetzt so tatsächlich vorstellen? Da fahren Sie nach….?
Georg Duda: In dem Fall Paderborn.
Seltmann: Erzählen Sie mal ein bisschen die Vorbereitungen und die tatsächlichen Versuchsaufbauten dann.
Bianca Lemke: Genau. Wir fahren nach Paderborn, und dort wird es als Erstes verschiedene Sicherheitschecks geben, weil wir natürlich uns auch in einem Flugzeug befinden, was natürlich verschiedenen Sicherheitsanforderungen unterliegt, die es auch erfüllen muss, insbesondere natürlich mit Flüssigkeiten. Da wir ja mit Flüssigkeiten arbeiten und wir ja Mikrogravitationsphasen haben, wo diese Flüssigkeiten sich dann auch gut und gerne im Flugzeug verteilen könnten, sind natürlich da besondere auch Maßnahmen zur Eindämmung der Flüssigkeiten nötig später. Das heißt, wir werden dort ankommen, werden dann die ersten Sicherheitschecks durchlaufen durch die kooperierende Firma Novespace, die das für den DLR dort vor Ort durchführt und der auch das Flugzeug gehört. Dann zum Beispiel an dem Aufbau des Racks, also die Drucker befinden sich in einem Kasten, der gebaut worden ist, der verschiedenen mechanischen Tests und Belastungen standhalten muss. Und dementsprechend wird der auch geprüft. Dann wird alles abgepolstert, damit sich keiner der Teilnehmer versehentlich beim Herumschweben im Flugzeug da den Kopf irgendwo anhaut. Und dann geht das Ganze ins Flugzeug, wird dort montiert. Es gibt verschiedene Funktionstests des Experiments im Flugzeug, dass auch hier alles funktioniert. Und dann starten wir.
Seltmann: Und wie lange fliegt das dann, und wie viele Parabeln fliegen Sie?
Bianca Lemke: Ursprünglich sollte die Kampagne in Bordeaux stattfinden, das ist der Standort von Novespace. Und dort wäre es dann gewesen in Summe drei Stunden, der Flug. Sozusagen Start, dann die Vorbereitung aller Experimente, dann werden 31 Parabeln geflogen. Die sind jeweils angeordnet in Parabelblöcken mit längeren Pausen dazwischen, dass man die Chance bekommt, sich auch wieder etwas zu erholen, weil so eine Parabel ist natürlich auch sehr anstrengend auf den Körper, besonders durch die Hypergravitationsphasen, wo man fast doppelte Erdbeschleunigung erreicht. Und dann gibt es den Rückflug zum Standort. Da wir jetzt in Paderborn sind, müssen wir erst über französischen Luftraum für diesen Parabelflug. Das heißt, der Flug verlängert sich auf ungefähr fünf Stunden in Summe
Seltmann: Erwarten Sie denn Unterschiede in der Schwerelosigkeit im Vergleich zum Ergebnis auf der Erde für den Drucker?
Bianca Lemke: neben den Funktionalitätstests für den Drucker ... drucken wir auch Microbeads in die Tinte oder integrieren wir in die Tinte. Diese Microbeads sind einfach kleine Kügelchen, die fluoreszent sind, ungefähr in der Größe von Zellen. Damit wollen wir gerne das Sedimentationsverhalten der Zellen während des Fluges untersuchen. Weil wir auch schon auf der Erde die Erfahrungen gemacht haben, wenn die Tinte länger steht, dann sinken die Zellen natürlich nach unten ab und müssen dementsprechend wieder eingemischt werden. Und die Befürchtung war, dass zum Beispiel in diesen Hypergravitationsphasen dann alle absinken. Die Hoffnung ist, dass während der Mikrogravitation dann gar nichts mehr absinkt. Also das ist sehr spannend zu beobachten, ob das tatsächlich einen Einfluss hat oder ob das Drucksystem einfach so stabil ist, dass man gar keinen Unterschied sieht. Und generell wäre es natürlich schön, dass wir einfach wenige Unterschiede der Performance des Druckers zum Druck auf der Erde sähen, damit natürlich auch diese Strukturen so fein und so genau gedruckt werden können, wie wir das hier auf der Erde schon können.
Seltmann: Für welche Astronauten ist das denn gedacht? Für die Astronauten auf der Internationalen Raumstation oder für die, die jetzt bald zum Mond fliegen möchten?
Georg Duda: Also der Plan akut ist, soweit er sich uns erschließt, dass für die ISS eine Strategie des 3D-Drucks oder 3D-Biodrucks vorgesehen wird für Verletzungen, dass sowas dort als Modul auch hinkommt. Letztlich wird das Ganze dann sehr relevant und interessant, wenn wirklich über längerfristige Flugmissionen nachgedacht wird. Das klassische Thema ist der Flug zum Mars, der einfach halt in Dimensionen der Zeit läuft, die nicht mehr zulassen, irgendwie eine Rettungskapsel zur Erde zu sprengen und zurückzubringen die Leute, sondern da geht es über lange Strecken. Da ist bisher immer Thema gewesen neben verschiedenen kardiovaskulären Erkrankungen oder immuno logischen Problemen sicher die Herausforderung des Knochens und des Verlusts von Knochenmasse und inwieweit Frakturrisiken eintreten. Das glauben wir nicht, dass wir mit dem Wound Patch das jetzt hier sofort adressieren können, aber sicher ist das auch so mit im Blick, dass man letztlich dafür Strategien braucht. Ob die durch so einen 3D-Druck zu erreichen sind, wage ich noch ein bisschen zu bezweifeln, aber grundsätzlich in die Richtung zu denken, für längere Missionen auch Lösungen vorzuhalten und vorzubereiten, dafür überhaupt auf dem Weg sich zu machen, Entwicklungsarbeit dafür zu leisten, ich glaube, dafür ist das ein gutes Projekt, um da mal die Tür aufzustoßen und zu schauen, wie weit man kommt.
Seltmann: Jetzt haben Sie es schon gesagt, eigentlich ist die Idee natürlich, diese Wundverschlussdruckerei auch auf der Erde nutzen zu können. Was glauben Sie, wird das überhaupt finanziell attraktiv sein? Wird sich das lohnen? Wird man sich das leisten können? Und wenn ja, wann, schätzen Sie, wird man solche Wundverschlüsse einsetzbar machen können?
Bianca Lemke: Also generell gibt es bei Brandwunden einen großen Markt. Brandwunden gibt es viel und häufig. Unfälle passieren leider. Dementsprechend ist auch der Bedarf an Technologien und an Alternativen zur Eigenhauttransplantation sehr groß. Produkte, die bis jetzt am Markt sind, können leider nicht die Performance bieten, die nötig wäre, um auch so viele Brandwunden-Opfer vernünftig und vor allem auch narbenfrei zu heilen. Wir haben da ein großes Problem, dass, selbst wenn man Eigenhaut transplantiert, die Vernarbungen enorm sind. Und damit natürlich auch das Problem für den Patienten am Ende. Das kann funktioneller Natur sein, wenn die Brandwunden an bestimmten Extremitäten sind, beispielsweise an der Hand, dann kann die Handfunktion eingeschränkt sein. Das ist aber vor allem ästhetischer Natur. Und wenn an dem Punkt wir ansetzen können und eventuell auch nur in gewisser Weise eine narbenfreiere Heilung damit erzielen können, dann würde das auch den höheren Preis natürlich rechtfertigen.
Georg Duda: Also ich denke, das ist sicher eine technologische Herausforderung. Was unsere Hoffnung ist: Wir haben uns sehr intensiv hier beschäftigt mit dem Thema Wundheilung und zelluläre Selbstorganisation. Und können wir denn den Start von Kollagensynthese, Fibronektin-Organisation hin zu einem eher narbenfreien Gewebe, können wir das besser steuern, und können da Biomaterialien helfen? Das ist eher so ein Basic-Science-Ansatz, aber der hat ein großes translationales Potenzial. Wenn wir das hinkriegen, wie wir uns das zurzeit vorstellen, dann glauben wir auch, dass wir das realisieren können, und dann können wir auch besser abschätzen, wie viele Vorteile wir gegen anderen Produktlinien oder anderen Optionen haben, die häufig nicht so sehr diesen Aspekt im Mittelpunkt ihrer Überlegungen haben. Das ist noch ganz neben der Frage Eigenhauttransplantat vermeiden eine Dimension, wo wir sagen, wenn wir zelluläres Verhalten durch Biomaterialien steuern können, dann haben wir auch eine Chance, vielleicht weniger Narben realisieren zu können. Ich sage das so vorsichtig, weil das natürlich doch vollkommen abhängig ist von dem Empfänger und seiner Immunkompetenz, seinem zellulären Verhalten, sodass es sein kann, dass es für manche Patienten vielleicht Lösungen gibt, die gut funktionieren und manche vielleicht nicht so gut funktionieren. Und das ist genau dann für uns auch das Spannende zu sehen, dass wir Lösungen realisieren können, die idealerweise in möglichst vielen Patienten funktionieren. Aber da stehen wir wirklich sehr am Anfang, um sagen zu können, das ist jetzt eine Translationskette, die dauert X Jahre, um da zu sein. Ich glaube, wir legen jetzt erstmal die Grundlagen, und dann schauen wir weiter.
Seltmann: Könnte man sich vorstellen, dass es nicht für jeden Patienten individuell ein Transplantat geben müsste, sondern dass man möglicherweise 20 verschiedene Transplantate immunologisch vorhält und die dann transplantiert?
Georg Duda: Das ist in der regenerativen Medizin natürlich ein ganz klares Ziel und auch eine konzeptionelle Linie, die wir auch hier im Hause sehr vertreten. Wir sind ja hier auch im regenerativen Forschungszentrum. Auch kommerzielle Partner von uns denken in die Richtung: Weil da kommt dann die andere Dimension rein der Kosten. Also wenn ich die Kosten so groß habe, dass es einfach sehr viel teurer ist, das alles vorzuhalten, und diese Diversität vielleicht auch im Weltraum vorhalten muss, dann kann das schwierig werden. Wenn das reduzierbar ist auf eine relativ kleine Anzahl an Zelllinien, mit denen man das realisieren könnte, dann kann ich mir das vorstellen. Also da gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Wege zu gestalten. Es gibt aber auch Biobanking-Strategien, wo bestimmte Zellen vorgehalten werden mit einem bestimmten Spektrum ihrer Möglichkeiten und ihres Profils, sodass man möglichst viele Patientenzellen oder -Zellprodukte anbieten kann, die die Bedürfnisse von möglichst vielen Patienten abdecken können, sodass man wegkommt von der Einzelzelle eines Patienten, die man noch aus dem Patienten gewinnt.
Seltmann: Also es wäre jetzt nicht ratsam, sich schon auf Vorrat mal so ein paar Zellen entnehmen zu lassen, die man dann bei einer großen Verbrennungswunde nutzen kann, um einen individuellen Wundverband herzustellen?
Georg Duda: Also ich würde das zum jetzigen Zeitpunkt mir selber noch nicht vornehmen und halte es auch noch für ein bisschen arg verfrüht. Aber es gibt sehr wohl sehr spannende Kryotechnologien, die erlauben, dann Zellen adäquat zu konservieren. Aber man muss halt sicher sein, dass man diese entsprechenden Kryotechnologien auch hier im Einsatz hat, sonst hat man was gespendet, was man nie nutzen kann. Und das wäre schade.
Seltmann: Dann bedanke ich mich ganz herzlich für das Gespräch. Vielen Dank, Herr Professor Duda.
Georg Duda: Sehr gerne.
Seltmann: Vielen Dank, Frau Lemke.
Bianca Lemke: Sehr gerne. Und vielen Dank für Ihr Interesse.
Seltmann: Und das war der BIH-Podcast „Aus Forschung wird Gesundheit“ aus dem Berlin Institute of Health, dem BIH. Professor Georg Duda und Bianca Lemke sprachen über ihr Projekt eines 3D-Druckers, der bei Raumflügen die Wunden von Astronauten mit einem personalisierten Wundverschluss versorgen soll. Falls auch Sie eine Frage zur Gesundheit oder zur Gesundheitsforschung haben, schicken Sie sie gerne an: podcast@bih-charite.de. Tschüss und bis zum nächsten Mal, sagt Stefanie Seltmann.