Aus Forschung wird Gesundheit

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BIH_Podcast_40_Warum erkranken manche Menschen schwer an COVID-19?

Interviewpartner: Prof. Christian Conrad, Professor für Intelligente Bildgebung und Dr. Maik Pietzner, Wissenschaftler in der AG Computational Medicine, beide im BIH.

Seltmann: Herzlich willkommen zum BIH-Podcast „Aus Forschung wird Gesundheit“ aus dem Berlin Institute of Health in der Charité, dem BIH. Wir wollen in diesem Podcast Fragen beantworten rund um das Thema Gesundheit und Gesundheitsforschung. Mein Name ist Stefanie Seltmann.

Seltmann: Heute bin ich zu Gast bei Professor Christian Conrad, der die Arbeitsgruppe für intelligente Bildgebung am BIH leite und bei Dr. Maik Pietzner, der in der Gruppe für Computational Medicine arbeitet, ebenfalls am BIH. Beide haben gemeinsam untersucht, warum es manche Menschen so schwer trifft, wenn sie an COVID-19 erkranken. Guten Tag, Herr Professor Conrad und Herr Dr. Pietzner.

Beide: Guten Tag.

Seltmann: Herr Conrad, Herr Pietzner, Sie haben untersucht, warum manche Menschen schwer an Covid-19 erkranken und andere nur leicht. Manche merken es noch nicht mal, dass sie infiziert sind. Wie sind Sie denn da vorgegangen? Sind Sie tatsächlich in die Krankenhäuser gegangen und haben die schwer erkrankten Patienten untersucht?

Maik Pietzner: Also unsere Studie bestand im Wesentlichen aus zwei Teilen. Für den ersten haben wir Daten aus großen Studien, die Hunderte oder Tausende von Patienten umfasst, genutzt, und diese Daten waren im Prinzip schon da. Das sind große Initiativen, die sich für Gene interessieren, die vielleicht ein höheres Risiko für Covid-19 machen. Für den zweiten Teil haben wir tatsächlich auf Gewebeproben von Patienten hier aus der Charité in Berlin zurückgegriffen.

Seltmann: Und was waren das für Daten, mit denen Sie die da gearbeitet haben? Woher hatten Sie die?

Maik Pietzner: Also eine der wenigen positiven Entwicklungen in der Pandemie war diese unmittelbare Bereitschaft von Ärzten und Wissenschaftlern, wirklich große Datenmengen zu teilen, um schnell voranzukommen. Und federführend ist hier die Covid-19 Host Genetics Initiative zu nennen. Das ist ein Verbund aus Standorten weltweit, die ihre Daten, die kleine Patientenkohorten umfassen oder sehr große Studien in großen Populationen, wirklich schnell zusammengebracht haben, weil es einfach so ist: Wenn wir Genetik uns anschauen wollen, brauchen wir viele, sehr viele Daten. Und das war im Prinzip unsere Datenressource.

Seltmann: Und was waren das jetzt für Daten? Waren das Krankheitsverläufe, waren das Erbgutsequenzen? Was gab es da zu finden?

Maik Pietzner: Also im Prinzip beides. Was wir für unsere Forschung brauchen, ist: Wir müssen wissen, welche Bereiche im Genom vielleicht verändert sind, also verändert im Sinne von: Ich komme auf die Welt und habe ein anderes Genom, als Sie das haben, das unterscheidet sich um ein paar Buchstaben. Und manchmal sind diese paar Buchstaben, die sich da unterscheiden, sehr relevant. Und das ist genau, was sich diese Wissenschaftler anschauen: Tauschen diese Buchstaben sich aus, habe ich dann einen schwereren Covid-Verlauf? Das sind die Daten, mit denen wir arbeiten.

Seltmann: Also Sie wussten von den Daten, die Sie wahrscheinlich im Computer sich angeschaut haben, ob das von einem Menschen stammt, der schwer an Covid erkrankt ist, oder ob diese Erbgutdaten von Patienten stammen, die möglicherweise gar nichts gemerkt haben?

Maik Pietzner: Also es ist eine große Herausforderung gewesen, gerade am Anfang, überhaupt festzustellen, wer ist schwer erkrankt, was sind die Kriterien. Es gab ja überhaupt keinen Diagnoseschlüssel für Covid. Deswegen gibt es verschiedene Definitionen. Das ist einmal überhaupt ein positiver Test. Also wer infiziert sich denn überhaupt mit Covid, das ist relevant zu wissen. Dann, okay, wer infiziert sich und muss im Krankenhaus behandelt werden. Und dann natürlich die schweren Verläufe, die nicht nur ins Krankenhaus müssen, sondern die dann auch beatmet werden müssen oder eventuell sogar versterben. Das sind dann die schwersten. Und das sind Prinzip die drei Kategorien an Patientendaten, die wir uns auch angeschaut haben.

Seltmann: Was haben Sie da genau herausgefunden?

Maik Pietzner: Also was wir gefunden haben, sind im Prinzip Bereiche in unserem Erbgut, die uns zu einem höheren Risiko prädisponieren. Das heißt nichts anderes, als dass es einen Austausch in den Buchstaben gibt, und aus irgendeinem Grund erkranke ich deswegen schwerer. Aber was wir oft nicht wissen, ist: Wie passiert das eigentlich? Also was liegt denn dazwischen, zwischen diesem Austausch, der ja bei der Geburt schon quasi festgelegt ist, und der Erkrankung später? Und wir haben uns lange damit beschäftigt, welche Bereiche im Genom, welche Buchstabenaustausche sind denn da relevant, dass ich von einem Protein mehr und von dem anderen vielleicht weniger habe. Und das ist das, was wir hier in der Studie zusammengebracht haben. Wir schauen im Prinzip, finden wir Überlappungen zwischen okay, das ist ein Bereich im Genom, der mit einem höheres Risiko einhergeht, und wir wissen aber auch jetzt schon, dieser Bereich reguliert ein Protein. Und davon haben wir insgesamt acht Kandidaten-Proteine gefunden, die womöglich den Verlauf von Covid-19 in irgendeiner Art beeinflussen, positiv wie auch negativ.

Seltmann: Was waren das für Proteine? Herr Conrad, da sind Sie dann ins Spiel gekommen.

Christian Conrad: Wir haben uns hauptsächlich den top Hit angeschaut ELF5, das ist ein Transkriptionsfaktor. Ich würde gerne einen Vergleich heranziehen: Wenn man sich vorstellt, Zellen sind sowas wie eine Fabrik, dann gibt es Zellen in der Lunge und auch in der Riechschleimhaut, die Schleim produzieren. Und in diesen Zellen gibt es ein Protein, das korreliert auch mit den Eingangsproteinen für das Virus. Das Virus kommt in diese Fabrik über eine Tür, die heißt ACE2, und dann gibt es noch einen weiteren, sage ich mal, Gang oder einen Eingang, TMPRS2. Und diese beiden Proteine korrelieren tatsächlich auch mit diesem gefundenen Protein. Das macht insofern Sinn, als dass das Ausstoßen von Sekret sehr ähnlich ist zu dem, was eine Virusproduktion eigentlich darstellt. Man könnte sich vorstellen, dass diese Zellen, diese Zielzellen von dem Virus tatsächlich auch dafür benutzt werden. Und das konnten wir tatsächlich in Einzelzellsequenzierungsdaten nachweisen,. Vielleicht kann man sich das so vorstellen wie ein Servicemitarbeiter in der Fabrik, der immer dafür sorgt, dass diese Maschinen gut laufen. Und wenn dieser Servicemitarbeiter gut und viel arbeitet, dann ist das auch ein Vorteil für das Virus.

Seltmann: Also Patienten, die besonders viel von diesem ELF5-Protein hatten, die erkrankten auch überdurchschnittlich häufig schwer?

Christian Conrad: Genau. Das ist genau der Punkt.

Seltmann: Also sodass man sagen kann, dieses ELF5 bereitet dem Virus eine Bahn oder öffnet dem weit die Tür, sodass es besonders gut die Lungenzellen und die Schleimhautzellen in der Riechschleimhaut befallen kann?

Christian Conrad: Das ist zumindest die Spekulation. Wir haben das nicht mechanistisch nachgewiesen, aber diese Proteine, diese Maschinen, die korrelieren tatsächlich miteinander, also der Transkriptionsfaktor, der sehr hoch exprimiert ist, als auch sozusagen die Türöffner für das Virus.

Seltmann: Also, wenn dieser Transkriptionsfaktor ELF5 besonders häufig vorhanden ist, dann gibt es auch besonders viele von diesen Rezeptoren oder Virustüröffnern, die man schon vorher gehört hat?

Christian Conrad: Ja, bzw. genetisch, in einem genetischen Netzwerk sind die auf jeden Fall indirekt miteinander verknüpft. Und es ist so, dass auch die Regeneration, also das Wiederherstellen dieser schleimproduzierenden Fabriken auch teilweise mit ELF5 zusammenhängt. Das würde auch insofern Sinn machen, als dass diese Zellen immer wieder nachgeliefert werden, immer wieder produziert werden, wenn sozusagen das Servicemitarbeiter ständig die Fabriken neu aufbaut, bildlich gesprochen.

Seltmann: Haben Sie denn einen ungefähren Eindruck, wie viele Menschen von dieser besonderen ELF5-Variante betroffen sind? Sind das sehr viele oder sind das tatsächlich nur ganz wenige? Korreliert das mit der Beobachtung, dass eigentlich relativ wenige Menschen nur sehr schwer erkranken?

Maik Pietzner: Das ist eine total interessante Frage, weil die Variante, die wir sehen, also dieser Buchstabenaustausch, ist unheimlich häufig. Etwa 8 von 10 Menschen tragen diese Veränderungen, zumindest auf einem Chromosom. Manche zwei, manche haben es auf beiden. Etwa 4 von 10 haben es auf beiden, aber 8 von 10 tragen mindestens eine Variante. Also das zeigt, glaube ich, sehr deutlich, dass Gene nicht unser Schicksal in der Infektion sind, sondern dass sie uns vielmehr Hinweise darauf geben können, welche Stoffwechselwege oder welche Proteine dort eine Rolle spielen, ohne dass es gleich zu einem schweren Verlauf kommt. Also es ist nicht so, dass die Gene uns da immer einen schweren Covid-19-Verlauf besiegeln. Diese genetischen Varianten, die wir uns da anschauen, die sind häufig, die kommen in vielen Menschen vor. Das heißt aber nicht, wenn ich die Variante trage, dass ich direkt erkranke.

Seltmann: Also es würde sich jetzt nicht lohnen, alle Menschen darauf zu untersuchen, ob sie diese Variante tragen, um sie dann besonders vor einer Infektion zu schützen?

Maik Pietzner: Nein.

Seltmann: Jetzt haben Sie aber in Ihrer Arbeit auch noch weitere Faktoren gefunden, die das Krankheitsrisiko beeinflussen, und zwar teilweise sogar positiv, dass man also weniger stark und häufig erkrankt. Welche waren das?

Maik Pietzner: Also wir haben ja insgesamt, wie ich schon sagte, acht Proteine gefunden, und darunter eben auch Proteine, wenn man davon mehr hat im Blut, dann scheint es so zu sein, dass man ein geringeres Risiko hat, Covid-19 zu entwickeln. Darunter waren Proteine, die schon sehr gut bekannt sind. Eines davon nennt sich ORS1, das sehr wichtig ist für die ganz anfängliche Reaktion auf den Virus, weil es dem Immunsystem mithilft, in genau in die richtige Richtung zu schieben, und den Virus früh angreift. Ein anderes Protein, das wir gefunden haben, nennt sich GCSF. Das wirkt auch aufs Immunsystem. Und das verstehen wir ziemlich gut, weil es ganz wesentlich dafür verantwortlich ist, im Knochenmark die Produktion von neuen weißen Blutkörperchen anzuregen, den sogenannten Granulozyten. Und die gehören zu ersten angeborenen Immunantwort, wenn wir mit irgendwelchen Viren oder Bakterien zu tun bekommen. Also man kann sich sehr gut vorstellen, wenn Menschen, die genetisch bedingt ein bisschen mehr von dem Protein haben, dass die auch einfach, wenn sie mit dem Virus in Kontakt kommen, besser darauf reagieren können.

Seltmann: Könnte man diese Erkenntnisse möglicherweise therapeutisch nutzen, also dass man dieses GCSF den Patienten verabreicht?

Maik Pietzner: Also das war in der Tat unser größtes Ziel bei dieser Arbeit: Können wir Medikamente-Targets, wie wir das immer so schön nennen, finden? Also einfach Proteine, die wir mit irgendeinem Medikament hoch oder runter regulieren können. Und für das, was Christian zur ELF5 beschrieben hat, das geht leider nicht. Wenn Sie da den Mann oder die Frau an der Rezeption rausnehmen, dann weiß niemand mehr, wohin. Also das können wir nicht machen. Was wir aber hier sehr gut verstehen, ist, dass wir dieses Protein sogar schon nutzen. Und zwar wird es verwendet in der Krebstherapie. Krebspatienten, die eine Chemotherapie bekommen, da sterben ganz viele der weißen Blutkörperchen ab. Und dann gibt man eben genau dieses synthetische Hormon, den Patienten, um ihre Immunantwort einfach wieder aufzubessern. Und es gibt auch eine erste klinische Studie, sogar sehr früh schon gemacht in China, wo ja sehr früh sehr viele Fälle waren, die zumindest zeigen konnten, dass Patienten, die sich nicht nur durch einen schweren Covid-Verlauf auszeichnen, sondern vor allem auch durch diese niedrige Immunzahlen, also wenige weiße Blutkörperchen, dass die davon insofern profitiert haben, dass sie weniger schwere Verläufe entwickelt haben, was ja so ein bisschen darauf hindeutet, dass das wirklich etwas sein kann, was hilft. Man muss aber auch dazu sagen, in das Immunsystem einzugreifen, zu regulieren, kann auch sehr stark davon abhängen, wann wir das tun. Also wenn wir es vielleicht früh in der Erkrankung tun, dann kann das gut sein, weil die Viruslast reduziert wird. Wenn wir es zu spät machen, kann es aber in diese überschießende Immunantwort richtig reinarbeiten. Was bei Covid-19 uns ja wirklich Probleme macht, ist, dass es das Immunsystem, die Lunge und andere Organe wirklich runterwirtschaftet, also Zellen dort vernichtet. Und wenn man jetzt darüber nachdenkt, noch mehr Immunzellen dorthin zu schicken, kann das vielleicht Probleme geben. Aber das sind wirklich Dinge, die dann in entsprechenden klinischen Studien geklärt werden müssen.

Seltmann: Sie haben, glaube ich, auch herausgefunden, dass die Blutgruppe eine Rolle spielt bei der Infektionsschwere oder Infektionshäufigkeit?

Maik Pietzner: Ich muss dazu sagen, wir haben das nicht rausgefunden.

Seltmann: Sie haben es bestätigt gefunden in Ihren Analysen?

Maik Pietzner: Wir haben auch das Protein gefunden, das für unsere Blutgruppe zuständig ist. Und das war so einer der ersten Befunde, als man angefangen hat, sich anzuschauen, okay, spielt unser genetischer Hintergrund eine Rolle. Und die Blutgruppe ist ja genetisch bestimmt. Da gibt es ein Protein, entweder produzieren wir es oder wir produzieren es nicht, und das verändert im Prinzip, wie unsere kleinen roten Blutkörperchen aussehen. Und man hat relativ früh erkannt, dass Menschen mit einer bestimmten Blutgruppe, und ich glaube, es ist Blutgruppe A, ein höheres Risiko haben, sich zumindest mit dem Virus zu infizieren. Und das ist, glaube ich, auch ganz wichtig zu sagen, dass man hier unterscheidet. Wir haben uns angeschaut, welche Genbereiche, welche Proteine gehen mit einem höheren Infektionsrisiko einher. Und das sind nicht unbedingt die gleichen, die auch mit einem schwereren Verlauf einhergehen. Und bei der Blutgruppe ist es tatsächlich so, dass es zwar zu häufigeren Infektionen kommt, aber nicht unbedingt auch zu einem schwereren Verlauf. Da sind alle Blutgruppen gleich betroffen.

Seltmann: Also es gibt Faktoren im Erbgut, die einen entweder schützen vor einem schweren Verlauf oder einen sogar anfällig machen für einen schweren Verlauf. Wenn man das mal jetzt ins Verhältnis setzt zu dem Einfluss, den eine Impfung gegen das Virus hat, kann man das überhaupt vergleichen? Ist die Impfung nur ungefähr so gut wie der Schutz aus dem Erbgut oder doch besser?

Maik Pietzner: Die Frage können wir relativ deutlich beantworten: dass eine Impfung immer der bessere Schutz ist. Also was wir sehen, ist: Die genetischen Varianten, die kommen fast genauso häufig in Erkrankten wie in Nichterkrankten vor. Das sind kleine Unterschiede. Wir brauchen viele Tausende Leute, um diese Unterschiede zu sehen. Und es führt auf das zurück, was ich gesagt hatte, dass wir das Genom eher als Anker für diese Kausalketten brauchen und weniger, dass es jetzt Menschen gibt, die völlig immun gegen Covid sind, weil sie eine besondere Zusammensetzung ihres Erbguts haben.

Christian Conrad: Ich hatte ja vorhin auch darüber gesprochen, es gibt Zielzellen, die besonders prädestiniert sind für das Virus und vorteilhaft sind. Aber das hat natürlich erstmal nichts zu tun mit der Immunantwort. Und die Immunantwort ist die Polizei. Und wenn die erste Hinweise hat durch eine Immunisierung, dann ist das natürlich ... Also wer in die Fabrik reinkommt, wer diese Schleimfabriken, diese kleinen Schleimfabriken missbraucht, da ist die Polizei für die Immunantwort zuständig. Und diese Hinweise, so könnte man das umschreiben, ist eine Immunisierung. Also das, glaube ich, das sind wirklich zwei verschiedene Paar Schuhe und Bereiche.

Seltmann: Also Impfungen auf jeden Fall?

Christian Conrad: Das würde ich vorschlagen.

Seltmann: Waren Sie eigentlich selbst schon an Covid-19 erkrankt, Herr Pietzner?

Maik Pietzner: Zumindest nicht wissentlich. Also das Problem ist ja gerade, dass ganz viele Infektionen derzeit asymptomatisch sind. Ich meine, wenn wir ins BIH, ins Büro gehen, testen wir uns zweimal die Woche. Bisher ist noch kein Test positiv geworden. Ich habe auch Glück gehabt, dass es in der Familie uns bisher verschont hat. Aber vielleicht hat Christian was anderes zu erzählen.

Seltmann: Herr Conrad?

Christian Conrad: Ja, wir haben wir haben tatsächlich das in der Familie schon gehabt. Ich habe es wahrscheinlich auch schon zweimal gehabt. Beim ersten Mal konnte ich mich nicht so schnell testen. Das war im November 2020. Da war das tatsächlich schwierig, Tests zu bekommen und auch PCR-Tests. Ich bin auch dreimal geimpft, aber trotzdem haben wir das auch nochmal bekommen, also auch in der Familie haben wir es noch das zweite Mal bekommen.

Seltmann: Waren Sie denn schwer erkrankt?

Christian Conrad: Ich war nicht schwer erkrankt. Meine Frau zum Beispiel hatte, ich würde mal sagen, nicht Long Covid, aber schon mehrere Monate damit zu tun. Und nein, also ich hatte jetzt keine langwierige Erkrankung. Nach einer Woche oder so war das wieder okay.

Seltmann: Einen Einfluss auf die Schwere der Erkrankung hat ja offenbar auch die jeweilige Virusvariante, mit der man sich ansteckt. Weiß man, woran das liegt, dass die Delta-Variante zwar weniger ansteckend, aber eher gefährlicher war als die derzeit kursierende Omikron-Variante, mit der sich fast jeder ansteckt, aber zum Glück viele nicht so schwer erkranken?

Christian Conrad: Ich glaube, es wurde schon relativ früh ja auch prognostiziert, dass die Evolution dieser Viruserkrankung wird in Richtung mildere Verläufe gehen. Das kann man sich ganz einfach erklären, indem man sagt: Was hat ein Virus davon, wenn die Menschen, sag ich mal, nach fünf Tagen sterben? Dann ist die Verbreitung nicht sehr hoch. Also eine hohe Viruslast, eine schwere Erkrankung ist eigentlich gar nicht etwas, was der Virus verfolgt. Und das wird, denke ich, mit den nächsten oder mit den kommenden Varianten der Coronaviren wird das immer weniger werden. Weil wie gesagt, eigentlich ist so ein Schnupfenvirus das Beste, die Verbreitung am höchsten und sollte eigentlich die anderen Varianten irgendwann verdrängen.

Seltmann: Also haben Sie Hoffnung durchaus, dass die Pandemie auch mal wieder uns zumindest in normale Lebensformen zurück entlässt?

Christian Conrad: Ja, ich denke schon, dass das irgendwann so sein wird. Es wird nie ganz aus der Welt sein. Es werden immer Leute, ein bestimmter Anteil, ein kleinerer Anteil wird schwer erkranken. Und ich denke, wir werden irgendwann auch Medikamente haben, die sowohl also in die nachfolgenden immunologischen Störungen besser eingreifen können. Das wird, denke ich, sicherlich das Ziel sein, dort einzugreifen. Und es gibt auch Studien dafür, also wie man so etwas machen kann. Also vorhin mit dem Zytokin oder mit diesem Botschafter sozusagen, wir haben ja auch die Studie im BIH, da geht es ja auch um eigentlich eine Interaktion zwischen Immunzellen, die man versucht, dann nicht vorteilhaft für das Virus zu gestalten.

Seltmann: Haben Sie auch positive Gedanken, wenn Sie in die Zukunft der Pandemieentwicklung gucken?

Maik Pietzner: Also man hofft natürlich. Ich glaube, es hängt wirklich vieles daran, welche Variante kommt als Nächstes, wie stark schlägt sie ein. Wie gut aber auch können wir einfache Maßnahmen beibehalten. Das Masketragen hat völlig abgenommen. Das ist eine total simple Maßnahme, die einen grandiosen Effekt hat. Also wenn Sie sich Studien anschauen: Das einfache Tragen von Masken in Innenräumen verhindert deutlich die Ansteckungsgefahr. Es ist so ein bisschen eine Balance zu finden, das öffentliche Leben weiter zu erhalten. Ich habe drei Kinder, die ich gerne weiter in die Schule schicken möchte, also das liegt mir sehr am Herzen. Aber man muss natürlich auch daran denken, was uns immer Probleme macht, sind die schweren Verläufe, die die Kliniken füllen, die Betten verdrängen für andere Patienten, die sie genauso bräuchten. Ich glaube, es braucht noch mehr auch gesellschaftlichen Zusammenhalt, um dann, egal was kommt, das dann weiter zu schaffen. Ich glaube, das ist wichtig festzuhalten.

Seltmann: Wie geht es denn jetzt weiter mit Ihrer Forschung? Suchen Sie weiter nach Faktoren? Könnte es zum Beispiel auch interessant sein, dass jemand, der besonders viel von diesem ELF5 hat, nicht nur an Covid schwer erkrankt, sondern auch an Grippe schwer erkranken würde oder an anderen Infektionskrankheiten? Gibt es solche Untersuchungen, wer woran schwer erkrankt, auf genetischer Ebene auch in andere Richtungen?

Maik Pietzner: Also das haben wir uns tatsächlich zu einem gewissen Teil auch in der Arbeit angeschaut. Und das wirklich Interessante war, zu sehen, dass gerade diese Variante für ELF5 total unauffällig war. Also wir sehen da nicht viel anderes als wirklich die Reaktion auf diesen Virus. Und das ist, glaube ich, auch etwas, was wichtig zu verstehen ist, wenn wir jetzt über die nächsten möglichen Pandemien nachdenken, wie können wir uns darauf vorbereiten, dass diese Datensätze so schnell zu generieren unheimlich wichtige Einblicke geben können, Und das andere, was ich an dieser Studie so sehr mag, ist, dass wir Expertisen zusammengebracht haben, Also das ist ja das, was die Mission des BIHs ist, translational zu arbeiten, aber auch ganz verschiedene Verfahren zusammenzubringen. Und dieses Modell, was wir gemacht haben, diese genetischen Populationsstudien und Christian mit den Einzelzellanalysen, die ja wirklich dann bis auf die eine einzelne Zelle, wenn man sich überlegt, wie klein die sind und wie viele das sind, sind das natürlich Wahnsinnsdatensätze, die aber nur in sehr wenigen Menschen erhoben werden können. Und das alles zusammenzubringen, ist natürlich auch ein Modell für viele andere Erkrankungen. Also da können wir uns auch kardiovaskuläre Erkrankungen angucken, wir können uns Typ-2-Diabetes damit angucken. Also das schafft einfach einen methodischen Rahmen, den wir auch weiter nutzen können. Und dann ist es natürlich so, dass wir uns jetzt so auch Long Covid angucken können. Also Menschen, die genetisch prädisponiert sind, vielleicht schwere Covid-Verläufe zu haben, was haben die denn noch für andere Erkrankungen? Gibt es dazu schon etwas? Und das ist etwas, was wir uns auch so ein bisschen noch angucken.

Christian Conrad: Das war ich denke auch besonders an dieser Studie, dass wir einen Zusammenhang gesehen haben zwischen der Erkrankung und den eigentlich wahrscheinlich primären Zielzellen, die wichtig sind für die Viruserkrankung, und das auch gewebsspezifisch zeigen können. Also das ist sicherlich für viele dieser populationsgenetischen Studien wichtig, die Zelle und genau das Gewebe zu lokalisieren und auch zu benennen. Erst dann verstehen wir, was überhaupt der Mechanismus sein kann. Weil genetisch gesehen, also nicht komplett gleich, aber sind ja alle Zellen gleich. Wir lesen ja nur bestimmte Teile in verschiedenen Geweben und bestimmten Zelltypen aus, um die Funktion dieser speziellen Zellen auch dann darzustellen. Und insofern ist es schon der richtige Weg, also die Einzelsequenzierung, die Genexpression sich dahingehend genau anzuschauen.

Seltmann: Gut, dann wünschen wir Ihnen viel Glück und viel Erfolg bei Ihrer weiteren Forschung und sagen vielen Dank für das interessante Gespräch.

Maik Pietzner: Gerne.

Christian Conrad: Ja, vielen Dank.

Seltmann: Und das war der BIH-Podcast „Aus Forschung wird Gesundheit“ aus dem Berlin Institut of Health in der Charité dem BIH. Professor Christian Conrad und Doktor Maik Pietzner erklärten, warum manche Menschen so schwer an Covid-19 erkrankten. Falls auch Sie eine Frage zur Gesundheit oder zur Gesundheitsforschung haben, schicken Sie sie gerne an podcast@bih-charite.de Tschüss und bis zum nächsten Mal, sagt Stefanie Seltmann.